Jahresrückblick Region Winterthur10 Geschichten, welche die Region 2021 bewegt haben
Der Sturm des Jahrzehnts, Lausbubenstreiche, umstrittene Kunst, Autoposer und Frauen mit grossen Projekten.

Sturm mit sternförmigem Schadensmuster

Er kam mitten in der Nacht – der Hagelsturm in Orkanstärke vom 13. Juli. Etwa um 2 Uhr zog die zwölf Kilometer hohe Gewitterzelle via Pfungen und Neftenbach über den Taggenberg oberhalb von Wülflingen. Dort oben ereignete sich dann ein sogenannter Downburst: Kalte Luftmassen aus der Superzelle stürzten nahezu senkrecht zu Boden. Unten angekommen, breitete sich der sehr starke Fallwind in alle Himmelsrichtungen aus, wobei er Geschwindigkeiten bis zu 250 km/h erreicht haben dürfte. Er riss im Umkreis von mehreren Hundert Metern viele Obst- und Waldbäume um, manche Baumstämme zerbrachen in der Mitte. Felder mit Mais, Kartoffeln, Getreide, Sonnenblumen oder Zuckerrüben wurden plattgewalzt und von den Hagelkörnern zerfetzt. Die umgeknickten Pflanzen waren sternförmig um die Stelle auf dem Taggenberg angeordnet, wo der Downburst niedergegangen war. Etliche Häuser in der Gegend wurden beschädigt, Personen wurden keine verletzt. (mab)
Gertrud Furrer kämpft für neue Zughaltestelle

Jeden Tag sieht Gertrud Furrer vor dem Pflegeheim Blumenau in Lipperschwendi die Züge vorbeifahren. «Einer hin, einer her, beide leer! Keiner hält», schrieb sie im Sommer an die Redaktion. Die 90-jährige ehemalige Journalistin verstand die Welt nicht mehr: Warum halten die Züge nicht? Eine Haltestelle würde vieles vereinfachen: «Vor allem für das Personal und den Besuch», sagte sie. Aber auch Gertrud Furrer und andere Bewohnerinnen und Bewohner wären wieder mobiler. Ihre Forderungen im «Landboten» fanden breite Beachtung. Der Heimleiter, die IG Tösstallinie und der Baumer Gemeinderat unterstützten sie. In einem Fernsehbeitrag meldeten sich weitere Bewohnerinnen zu Wort. Doch bis zu einer neuen Haltestelle ist es ein weiter Weg. Im November schrieb Gemeinderat Flavio Carraro auf Anfrage: «Offiziell sind wir noch nicht in der Lage, über Fortschritte zu berichten.» Es formiere sich aber eine Arbeitsgruppe, die Lösungen für das obere Tösstal vorschlagen wolle. «Anfang nächsten Jahres ist eine Veröffentlichung geplant.» (roh)
Happy End für Lausbuben-Brücke

Eine morsche Brücke über den Schwarzbach bereitete der Gemeinde Rickenbach Sorgen. Sie war so alt, dass sie schliesslich gesperrt werden musste. Einfach 1:1 ersetzen durfte sie die Gemeinde wegen Hochwasserauflagen nicht. Eines Morgens Ende März 2020 verband jedoch plötzlich eine nagelneue Holzbrücke die beiden Uferseiten. Die Erbauer (selbst ernannte Lausbuben) sind bis heute anonym geblieben. Lange war zudem unklar, was der Kanton zum Bauwerk sagen würde. Ein knappes Jahr später, Ende März 2021, traf auf der Gemeinde schliesslich eine Konzession ein, die die Existenz der Brücke für die nächsten 15 Jahre sichert. «Ein Happy End», sagt Gemeindepräsident Robert Hinnen. (gab)
Rote Köpfe wegen Roman Signers «Handschuh»

Unter Kunstinteressierten ist Roman Signer bekannt, und zwar weltweit. Seit diesem Jahr darf die Weinländer Gemeinde Andelfingen ein Werk des Schweizer Künstlers ihr Eigen nennen. Die rund 40’000 Franken für «Handschuh», so der Titel der Installation, stammen hauptsächlich vom Jubiläumsbatzen der Zürcher Kantonalbank und von mehreren Spendern. Doch nicht alle Andelfingerinnen und Andelfinger hatten Freude daran, dass im Tobel des Schlossparks ein roter Lederhandschuh sachte im Bächlein wippte. «Zu teuer», «Das soll Kunst sein?!» oder «Das kann doch jedes Kind!» waren einige der kritischen Einwürfe. Um das angeblich Kinderleichte und Überteuerte zu demonstrieren, hatten Unbekannte im Mai eigens eine Kopie des Werks fabriziert und neben dem Original montiert – mit dem Preisschild «CHF 950.–». (mab)
Adieu Sandhöhle

Als «wirklich gefährlich» bezeichnete Gemeindepräsident Christoph Ziegler die Situation rund um die Elgger Sandhöhle im Juni. Man habe verschiedene Fachexperten gefragt und alle seien sich einig: Die Höhle sei akut einsturzgefährdet. Die Stelle im Wald bei Neu-Elgg diente Generationen von Elggerinnen und Elggern als Ausflugsort und Abenteuerspielplatz. Doch Wurzeln und Wasser lockerten die Decke der Höhle immer weiter auf, bis sich grosse Brocken zu lösen begannen. Im Juli baggerte der Forst Elgg die Höhle schliesslich weg. Der Ort mit Feuerstelle bleibt Ausflüglern als grosser Sandspielplatz erhalten. (nid)
Das grösste Autoposer-Treffen

Eigentlich waren während der Lockdowns weniger Autos auf den Strassen unterwegs, trotzdem nahm der Lärm zeitweise zu. Sogenannte Autoposer strapazierten mit schnellem Beschleunigen und heulenden Motoren die Nerven von Strassenanwohnern. Immer mal wieder kam es auch zu Treffen von Autofans. Im Januar 2021, erneut mitten im Lockdown, fand das wohl bisher grösste im Kanton Zürich statt. Die Kantonspolizei vermeldete, dass sie 150 Frauen und Männer verzeigt habe, die sich mit ihren Fahrzeugen auf einem Parkplatz bei Grafstal in der Gemeinde Lindau getroffen hätten. Sechs der Autos wurden zudem aus dem Verkehr gezogen. Gemeindepräsident Bernard Hosang vermutete damals, die Personen müssten sich in der Gegend ausgekannt haben. Lindau habe aber eigentlich kein Poserproblem. (nid)
Ansturm auf den Heimenstein

Aus der ganzen Schweiz reisten im April Leute an, um an der Liquidation des Guts Heimenstein teilzunehmen. Auf der Strasse bildete sich eine lange Schlange von Autos, der Zutritt war wegen Corona beschränkt. Bis Anfang des 15. Jahrhunderts hatte das ehemalige Rittergut erwiesenermassen den Herren von Heimenstein gehört. Später ging es in die Hände der Familie Maier über. Der Räumungsverkauf für das Inventar fand statt, weil Besitzerin Susi Maier im Alter von 87 Jahren verstorben war. Zu erwerben gab es alles von Teppichen, Lampen, Kerzenständern, Barockschränken, Bettwäsche und Renaissance-Stühlen über Schwerter bis hin zu Bronzestatuen von Hans Jörg Limbach für 40’000 Franken. (nid)
Auf Grand Tour mit der Vespa

Eigentlich wollte sie mit ihrer Vespa die Grand Tour durch die Schweiz abfahren. Schliesslich wurden es 3000 Kilometer – fast doppelt so viel. Im April hatte Anni Schelker am Anschlagbrett des Andelfinger Volgs eine Begleitung gesucht. Zehn Personen meldeten sich auf das Inserat, mit dreien ging die vife 71-Jährige schliesslich in unterschiedlicher Besetzung auf Tour. 16 Tage lang im Sattel, 18 Kantone, 10 Pässe. Das Highlight? Die Tremola, die alte Poststrasse auf der Südseite des Gotthards. 22 Kurven lang habe sie gejauchzt. Dann war sie oben. (alb)
Schilderwald in Effretikon

Als am 10. September der sanierte Bahnübergang in Effretikon wieder freigegeben wurde, staunten die Verkehrsteilnehmer nicht schlecht. Um zu verhindern, dass Busse und Lastwagen den Rad- und Gehweg befahren, wurden auf dem 200 Meter kurzen Abschnitt nicht weniger als 17 Velo-/Fussgängertafeln aufgehängt. Die Aufregung war gross. Sogar der «Blick» und das Fernsehen berichteten darüber. Und die SVP beschwerte sich bei der Zürcher Regierung über diesen «Schildbürgerstreich». Der Regierungsrat räumte ein, dass die Lösung aus ästhetischer Sicht nicht wirklich überzeuge – und versprach eine alternative Signalisation. (hz)
Rehkitze mit Drohnen retten

Wenn im Frühling die Bauern das Gras mähen, ist das Risiko gross, ein Rehkitz zu übersehen. Denn der Überlebensinstinkt der frisch geborenen Rehe ist nicht auf Mäher ausgerichtet. Sie pressen sich jeweils ganz tief auf den Boden und bewegen sich nicht mehr, statt zu flüchten: Das befiehlt der sogenannte Drückinstinkt. Abhilfe schaffen Drohnenpiloten, die die Felder vor dem Mähen mit einer Wärmebildkamera abfliegen, um so Tiere im Feld zu entdecken. Einer von ihnen ist Willi Hubmann aus Altikon, der sich im Verein Rehkitzrettung.ch engagiert und auch 2021 im Einsatz war. Laut eigenen Angaben hat er bereits mehr als 2500 Rehkitze gerettet. (gab)
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