Kolumne TribüneAlarm!
Fehlalarme sind gefährlich, wenn sie zu oft stattfinden. Das gilt auch, wenn es um Öl, Gas oder Strom geht, findet der «Landbote»-Kolumnist.

Als ich das erste Mal in einem Hotel einen Feueralarm erlebte, schlüpfte ich im Pyjama schnell in die Schuhe, ergriff auf der Flucht noch rasch Portemonnaie und Reisepass und machte mich sofort auf den langen Abwärtsweg auf der Nottreppe.
Das Ganze erwies sich dann allerdings als Fehlalarm, und ich stand wenige Minuten später an der Rezeption ganz schön blöd da. Als ich einige Jahre später wiederum durch einen Brandalarm aus dem Schlaf gerissen wurde, zog ich mich ohne Hast an und spazierte dann gemütlich ins Parterre. Wieder ein Fehlalarm. Beim dritten Mal wartete ich nur noch, bis die laute Sirene wieder abstellte, weil ich bei dem Krach nichts Vernünftiges tun konnte. Alarme im Hotel nehme ich unterdessen kaum mehr wahr.
Fehlalarme sind gefährlich, wenn sie zu oft stattfinden. Das eine Mal, wenn es wirklich drauf ankäme, wird kein Mensch mehr darauf reagieren. Diese Gedanken schwirren mir derzeit durch den Kopf, wenn ich die täglichen Nachrichten konsumiere. Montag: Uns geht das Erdöl aus. Dienstag: Uns geht das Gas aus. Mittwoch: Uns geht der Strom aus. Donnerstag: Die Russen kommen (oder sie lassen eine Atombombe fallen oder sie bombardieren ein Kernkraftwerk). Freitag: Die nächste Covid-Welle ist im Anzug. Samstag: Die Affenpocken breiten sich aus.
Ich gebe zu: Die Möglichkeit, dass eines dieser Szenarien eintritt, ist grösser als null. Gleichzeitig ist sie aber immer noch sehr klein, wie damals beim Waldsterben, beim Rinderwahnsinn, bei der Schweinegrippe, bei Ebola und bei der Vogelgrippe. Wir leben immer noch, und die Bäume sind auch immer noch da. Zum Glück. Denn wie jedes Jahr habe ich Anfang September bei meinem Förster das Brennholz fürs Cheminée für den kommenden Winter bestellt.
Doch herrje! Vorläufig alles ausverkauft! Viele Leute glauben tatsächlich, sie müssten im Winter frieren. Nach dem Klopapier horten sie jetzt Brennholz! Wenn die Raumtemperatur 20 statt 24 Grad beträgt oder ich in der Stube im Dezember nicht mehr im T-Shirt herumlaufen kann, sagt man dem dann bereits frieren?
Mit Strom und Wasser haushälterisch umzugehen, finde ich eine gute Sache, aber aus Rücksicht auf die Umwelt und nicht bloss vor lauter Panik. Das ist das Einzige, das mich an den angsterfüllten Egoisten beunruhigt: Wenn alle sagen, es gäbe eine Panik, dann gibt es nämlich eine. So dumm sind wir dann hoffentlich doch nicht, oder?
Bernhard Thurnheer ist langjähriger Sportjournalist und wohnt in Seuzach.
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