Kolumne TribüneAller Anfang wiegt schwer
Der erste Eindruck zählt viel. Unser Kolumnist Beni Thurnheer weiss: Wer gut ankommen will, sollte das eine oder andere über das Publikum wissen.

Du bekommst keine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu machen. Das stimmt. Und deshalb lohnt es sich für jeden, der irgendwo als Redner auftritt, sich den Anfang gut zu überlegen.
Mein Allerweltstipp: Jeder Mensch ist auch ein bisschen ein Lokalpatriot. Gleich etwas Nettes über den Ort zu sagen, an welchem man auftritt, kann einem deshalb sofort die Sympathien zufliegen lassen. «Je salue les visiteurs venus de la Suisse romande» respektive «un cordiale benvenuto a tutti del Ticino» gleich zu Beginn wirkt bei einem gesamtschweizerischen Anlass Wunder, auch wenn anschliessend der ganze Vortrag auf Deutsch gehalten wird.
Die kurzen Sprachfetzen müssen nicht einmal grammatikalisch korrekt sein. Auf die Geste kommt es an. Aber bitte nicht übertreiben! Die Begrüssung auch noch in rätoromanischer Sprache abzuliefern, obwohl weit und breit kein Bündner im Saal sitzt, wird sogleich als Effekthascherei entlarvt. Wenn man es aber richtig macht…
Springsteen spielt «s Vogellisi»
Als der amerikanische Rock-Star Bruce Springsteen das letzte Mal im Berner Stade de Suisse auftrat, intonierte seine Band als Erstes «s Vogellisi chunnt vo Adelbode her». Damit hatten die Musiker das Publikum bereits im Sack. Es kann aber auch etwas viel Kleineres sein wie «Hier in Utzenstorf habe ich einmal Militärdienst geleistet», «Jetzt bin ich endlich einmal in Kriessern, wo die vielen guten Ringer herkommen», «Elm ist dank dem Elmer Citro und wegen Vreni Schneider ja weltberühmt».
Es geht auch humorvoll. Als der ostfriesische Komiker Otto einmal im Zürcher Hallenstadion auftrat und fünf Minuten nach Vorstellungsbeginn noch zwei Zuschauer eintrudelten, sagte er: «Hallo, guten Abend! Kommen Sie aus dem Aargau?» Der Norddeutsche hatte sich also mit dem spezifisch schweizerischen Humor befasst und erntete die entsprechenden Sympathiepunkte (sogar bei den Aargauern).
Beim Anfang entscheidet sich, was für ein Vorurteil sich das Publikum macht.
Bei Fernseh-Live-Kommentatoren gilt die Devise, dass man angeschnallt starten und landen sollte. Viele schreiben sich also die ersten zwei Sätze auf und kommentieren erst danach frei. Der Anfang muss nicht immer psychologisch ausgeklügelt sein, aber wenigstens grammatikalisch richtig und mit Überzeugung vorgetragen. Auch dies gibt einen guten ersten Eindruck.
Zu beachten ist dabei allerdings, dass auch die aufgeschriebenen Sätze nach mündlichem Vortrag tönen. Nichts ist schlimmer, als wenn man den Übergang vom Vorbereiteten zum Improvisierten wie einen Fluss wahrnimmt, der plötzlich einen Wasserfall hinabstürzt.
Aller Anfang ist schwer? Nicht unbedingt. Aber der Anfang ist wichtig. Bei ihm entscheidet es sich, was für ein Vorurteil sich das Publikum von einem macht (wenn es nicht schon vorher eines hatte). Je nachdem wird es in den kommenden Stunden und Minuten immer eher nach guten Passagen oder aber nach Fehlern Ausschau halten.
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