Reaktionen auf Pegasus-Fall«Amateurhaftigkeit auf der höchsten staatlichen Ebene»
Neben Emmanuel Macron waren auch andere französische Politiker offenbar Ziel der Spionagesoftware Pegasus. Die Opposition reagiert empört. Der Élysée-Palast kündigt eine umfassende Aufklärung an.

Die Konservativen griffen am Mittwoch zu den schärfsten Worten. Bruno Retailleau, Senator der Republikaner, sprach in einem Interview mit dem Sender RTL von «mangelnder Vorsicht» des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und von «Amateurhaftigkeit auf der höchsten staatlichen Ebene». Retailleau reagierte auf die Recherche des Forbidden-Stories-Netzwerks.
Diese zeigte, dass sich eine von Macron verwendete Handynummer auf einer Liste geleakter Telefondaten findet. Damit zählt Macrons Nummer zu den potenziellen Ausspähzielen, die von Kunden der israelischen Spionagefirma NSO Group ins Visier genommen wurden. In einer Stellungnahme teilte das Unternehmen jedoch mit, dass eine Ausspähung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron durch ihre Software Pegasus ausgeschlossen. «Ich kann Ihnen mit Sicherheit sagen, dass Präsident Macron kein Ziel war», sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Unternehmen am Mittwochabend im israelischen Fernsehen. Die Firma bezeichnete sich als Opfer einer «bösartigen und verleumderischen» Kampagne und kündigte an, keine Fragen der Medien mehr beantworten.
Der Élysée gab am Dienstagabend ein knappes Statement ab: «Sollte sich der Verdacht als richtig erweisen, ist er natürlich sehr schwerwiegend.» Paris kündigte eine umfassende Aufklärung der Enthüllungen an. Premierminister Jean Castex sagte am Dienstagabend in der Nationalversammlung auf Nachfrage, «die Untersuchungen» seien «noch nicht abgeschlossen». Die Handynummer seines Vorgängers, Édouard Philippe, taucht ebenfalls in den Telefondaten auf, die das Forbidden-Stories-Netzwerk einsehen konnte. Auch alle entscheidenden Minister der Regierung Philippe waren 2019 von der von NSO vertriebenen Spähsoftware Pegasus ins Visier genommen worden. Die Recherchen ergaben, dass die Überwachungsversuche in Frankreich von Marokko aus unternommen wurden.
Auch rechte Politiker betroffen
Nicht nur die Regierung ist betroffen, sondern auch Politiker der Opposition. Die linke France Insoumise (FI) kündigte am Mittwoch an, Anzeige zu erstatten. Das Handy von Adrien Quatennens, Parteivize der FI, findet sich auf der Liste der ausgewählten Ausspähziele. Parteichef Jean-Luc Mélenchon fragte auf Twitter: «Wie plant Macron zu reagieren?» Die FI kritisierte den Präsidenten dafür, zu der Affäre bislang zu schweigen.
Im rechten politischen Spektrum gehören Robert Ménard und Éric Zemmour zu den prominentesten Betroffenen. Ménard, Ex-Chef von Reporter ohne Grenzen, steht heute Marine Le Pens Rassemblement National nahe und ist Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Béziers. Ménard hatte sich früher wiederholt für die Pressefreiheit in Marokko eingesetzt. Der rechtspopulistische Kommentator Zemmour, der mit einer Präsidentschaftskandidatur liebäugelt, sagte, der Vorfall zeige die «grosse Anfälligkeit» Frankreichs. «Wenn die Regierung Bescheid wusste, ist das ein Skandal. Wenn sie es nicht wusste, ist das beunruhigend», so Zemmour.
Auch die Handynummer von Cédric Villani, einer der schillerndsten Figuren der französischen Nationalversammlung, wurde für eine potenzielle Überwachung ausgewählt. Der preisgekrönte Mathematiker Villani war 2017 für die Macron-Partei La République en Marche ins Parlament gewählt worden. Die Fraktion trennte sich 2020 von ihm, als er für das Bürgermeisteramt in Paris kandidierte. Laut Recherchen von «Le Monde» wurde Villanis Handy zu diesem Zeitpunkt ins Visier genommen. Villani, der Anzeige erstatten will, forderte am Mittwoch eine politische Reaktion. Er sagte, man könne nicht so weitermachen, «als sei nichts gewesen».
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