Kolumne «Tribüne»Auf keinen grünen Zweig
Helfen ist wichtig – aber wie lange reicht die Kraft? Auf diese Frage sucht die «Landbote»-Kolumnistin Antworten.

Wie lange macht ihr das noch? Wie oft fahren wir noch?
Gemeint sind die Lebensmitteltaschen, die wir in unserer Kirchgemeinde jeden Monat sammeln und nach Zürich an die Langstrasse bringen. Dort werden sie unter jenen Menschen verteilt, denen es am Nötigsten fehlt: Reis und Nudeln, Tomatensauce … Haltbare Lebensmittel, Feuchttücher für die Kinderpflege oder auch ein Paket Windeln, Seife, Zahnpasta und Duschmittel.
Monat für Monat bringen Menschen so gefüllte Papiertragtaschen ins Pfarreisekretariat oder stellen diese in die Kirche. Zwischen 100 und 180 Taschen kommen jeweils auf Ende Monat zusammen. Wobei, 180 Taschen hatten wir schon lange nicht mehr.
«Die anfängliche Freude, auf diese Weise wirklich etwas beitragen zu können, Not zu lindern, ist der Frage gewichen: Wie lange noch?»
Die Menschen sind müde geworden. Die anfängliche Freude, auf diese Weise wirklich etwas beitragen zu können, Not zu lindern, ist der Frage gewichen: Wie lange noch? Bringen andere Pfarreien auch Lebensmittel? Und doch: Viele bleiben dabei, bringen immer wieder Taschen, liebevoll gefüllt.
Eigentlich wollten wir vor den Sommerferien abschliessen. Not kennt keine Ferien … «Wir müssen weitermachen», sagte eine unserer Fahrerinnen. «Diese Not schreit zum Himmel.» Wir machen weiter. «Wo bleibt die Sozialhilfe?», fragen andere. Gehen die Lebensmittel wirklich zu den «richtigen» Menschen?
Durchhalten ist angesagt. «Nicht müde werden und dem Wunder wie einem Vogel die Hand hinhalten.» Dieses Kurzgedicht der jüdischen Schriftstellerin Hilde Domin geht mir immer wieder durch den Kopf. Nur, was ist das Wunder? Dass sich Menschen doch immer wieder motivieren lassen, das Gute zu tun? Nicht müde werden …
Ein junges Paar überlegt sich, die Taufe seines Kindes zu feiern. Ich spüre eine grosse Ernsthaftigkeit. Was heisst Taufe? Wollen wir unser Kind in diese Kirche «hineintaufen»? Eine berechtigte Frage, wenn ich die römisch-katholische Kirche anschaue. Hat Jesus dies gemeint, als er vom Reich Gottes sprach? Wir diskutieren.
Ich erzähle, was ich unter Kirche verstehe. Die Nachfolge von Jesus, so gut es uns möglich ist zu leben. Dabei erzähle ich von den Lebensmitteltaschen und wie sich Menschen motivieren lassen, füreinander einzustehen an ganz verschiedenen Orten. Nicht müde werden. Das ist so leicht gesagt und doch das Schwierigste. Dranbleiben und daran glauben, dass es Sinn macht …
Auch Jesus hat es scheinbar auf keinen grünen Zweig gebracht, nur ans trockene Holz des Kreuzes. Nicht müde werden.
Monika Schmid, Theologin, Gemeindeleiterin, Katholische Kirche St. Martin, Illnau-Effretikon/Lindau/Brütten
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