Kolumne TribüneBis dass die Ferien euch scheiden
Die Sommerferien bestehen für viele Paare aus drei Zutaten: Sonne, Seele baumeln lassen – und Streit.

Seit dem Sommerferienende herrscht bei mir in der Kanzlei Hochbetrieb. Täglich kommen Anfragen, es ist immer dringend, baldmöglichste Termine sind gefragt. Das vorherrschende Thema: Trennung oder Scheidung. Statistisch gesehen werden die meisten Trennungen einige Wochen nach den Sommerferien eingereicht.
Die Sommerferien bestehen für viele Paare aus drei Zutaten: Sonne, Seele baumeln lassen – und Streit. Kein Wunder. Man ist sich nicht mehr gewohnt, den ganzen Tag zusammen zu sein. Im Alltag reden Paare im Durchschnitt lediglich zehn Minuten pro Tag. Auch dann geht es meist um Organisatorisches: Wer holt die Kinder, wer organisiert die neue Waschmaschine, wer das Willkommensgeschenk für die Nachbarn.
Die Ferien sollen dann plötzlich die schönsten Tage im Jahr werden, man will Sorgen und Probleme vergessen, relaxen, wieder zueinanderfinden. Auch die Kinder sollen gefälligst mitspielen, Dickköpfigkeit oder launisches Verhalten gehen gar nicht. Schliesslich müssen die Ferienerlebnisse vorzeigbar sein und Freunde, Nachbarn und Kollegen gleichermassen beeindrucken. Angesichts dieser hohen Erwartungen sind Konflikte vorprogrammiert. Und im Urlaub kommen Probleme hoch, über die man sich schon lange ärgert, die aber bislang nie auf den Tisch gebracht worden sind.
Es ist nicht so, dass alle Anfragen tatsächlich in einer Trennung oder Scheidung münden. Die konflikthaften Ferien führen dazu, dass sich eine Partei rechtlich beraten lässt. Viele finden dann erfreulicherweise doch wieder zueinander oder ertragen stoisch die latent schwelenden Konflikte, wenigstens bis zum nächsten Urlaub. Andere machen Nägel mit Köpfen und reichen tatsächlich die Trennung oder gar eine Scheidung ein.
Bei mir selbst haben Ferien bislang nicht zu einem Trennungswunsch geführt. Ich geniesse es, meine Familie für längere Zeit von morgens bis abends um mich zu haben. Ich lese in den Ferien keine Zeitung, nicht einmal Online-News, habe entsprechend weniger Weltuntergangsängste, bin entspannt und guten Mutes.
Wobei, als sich diesen Sommer das von meinem Mann übers Internet gebuchte «exklusive» Hotel als Rattenloch entpuppte – im wahrsten Sinne des Wortes, ich sah das Tier über den schmutzigen Flur huschen –, da hing der Haussegen äusserst schief. Zum Glück haben wir ein paar Strassen weiter eine andere Unterkunft gefunden. Wer weiss, wie das sonst geendet hätte…
Eva Ashinze ist Anwältin und Krimiautorin und lebt mit ihrer Familie in Winterthur.
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