
Online-Meetings haben es in sich. Du siehst dich oft stundenlang. Diese Frisur, ich mach einen Coiffeurtermin aber subito. Die Gesichtshaut ist nicht ausgeglichen, morgen trage ich Make-up auf und Lippenstift. Die Augenlider hängen etwas, und diese Nase, so schrecklich. So einfach lässt sich da keine Korrektur anbringen. Je länger ich mich sehe, desto mehr habe ich an mir auszusetzen. Abnehmen wäre angesagt.
Laut Statistiken sind Schönheitsoperationen im letzten Jahr sprunghaft angestiegen. Ob nur bei Frauen oder auch bei Männern? Dass wir älteren Frauen das eine oder andere korrigieren möchten, irgendwie verständlich, aber die meisten Schönheitsoperationen werden von jungen Frauen gemacht. Ein bisschen Herumbasteln am eigenen Körper ist schwer in Mode.
Eine junge Frau wird von der Sendung «Puls» porträtiert. Sie hat schon das eine oder andere «machen lassen», nun sind die Schamlippen dran. Ihre Vulva, ihre Weiblichkeit gefällt ihr nicht. Aussehen wie eine Barbiepuppe möchte sie. Nur, eine Barbiepuppe, die hat da, wo die äusseren weiblichen Geschlechtsorgane wären, gar nichts, nur glatter Plastik, nicht der kleinste Schlitz, einfach nichts. Die junge Frau möchte am liebsten, dass man gar nichts sieht von ihrer Weiblichkeit. Frauen möchten aussehen wie kleine Mädchen. Was steckt dahinter? Haben junge Frauen Mühe, erwachsen zu werden, echte Frauen zu sein?
Einerseits diese Luxusprobleme von operierten Vulven und andererseits nimmt die Armut in der Schweiz stetig zu.
Tausende von Franken fliessen für Schönheitsoperationen. Welchem Druck sind junge Frauen ausgeliefert. Ich denke an eine mollige Sechzehnjährige oder die junge Mittzwanzigerin, die sich mit ihrem Übergewicht abkämpft. Wie muss es für solche jungen Frauen sein, wenn nur noch zählt, wer einen perfekten Körper vorzuweisen hat. Und was heisst eigentlich perfekt?
Eine verrückte Gesellschaft. Einerseits diese Luxusprobleme von operierten Vulven und andererseits nimmt die Armut in der Schweiz stetig zu. Wir sammeln in unserer Pfarrei immer wieder Lebensmittelsäcke für Menschen mitten in Zürich. Menschen stehen Schlange für ein warmes Abendessen oder eine Lebensmitteltasche, die ihnen das Überleben sichert. Kinder hungern, Menschen vegetieren in Flüchtlingslagern. Im Jemen tobt ein Stellvertreterkrieg auf dem Buckel der Ärmsten. Die einen kultivieren ihr Essverhalten «bis zum Gehtnichtmehr», andere haben keine Wahl, was sie essen oder anziehen möchten.
Eine lebenswerte Welt für alle, bringen wir das echt nicht hin?
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Kolumne Tribüne – Da ist nichts, nicht der kleinste Schlitz
Während die einen ihre Vulva operieren, stehen andere Schlange für ein warmes Abendessen. Kolumnistin Monika Schmid über Schönheitsoperationen, Armut und die Schere zwischen Arm und Reich.