Gastrokolumne AngerichtetDas Obergass überzeugt auch ohne Schnickschnack
Im Restaurant Obergass trifft sich die Stadt. Wir waren wochentags da, assen Altbekanntes und fanden bisher Unbekanntes gut.

Im Restaurant Obergass prangen keine Sterne an der Decke, sondern ein Tierkreis mit allen zwölf Zeichen und eine von Reben umrankte Sonne. Ein Blickfang, genauso wie der grosse Spiegel links vom Eingang. Das erste Gespräch dreht denn auch um Astronomie, Astrologie und Geometrie. Wir sind uns uneins, wie wichtig diese «freien Künste» sind. Genauso wie über die Bilder und Kunstwerke des übrigen Interieurs.
Die Gaststube ist am Mittwochabend voll besetzt, mit Paaren, Freunden und einer Gruppe Frauen, die sich zum Jassen trifft. Winterthurer Prominenz sitzt mit an den Tischen, ein Alt-Stadtrat, eine Stiftungserbin und ein streitbarer Wirt. Und dazwischen wir, eine hungrige Familie zwischen Arbeitsende und Schlafenszeit.

Bei Cola, Eistee und einem Bier ist Zeit für einen Ausflug in die Vergangenheit. Damals hiess das Obergass noch Tour de Suisse, weil der Wirt das Radrennen gewonnen hatte, als erster Schweizer überhaupt. Später sollten das Restaurant und der Häuserblock einem Einkaufszentrum weichen. Nach öffentlichem Widerstand kaufte die Stadt alles, auch das Obergass.

Als Vorspeise teilen wir uns eine geräucherte Forelle mit Salat, Zwiebeln und Kapernäpfeln (14.50 Franken) sowie einen Chicoréesalat an Honig-Senf-Sauce (11 Fr.). Die Gerichte kommen einfach angerichtet auf den Tisch, erfüllen die Erwartungen aber voll und ganz. Das Pächterpaar Karin und Daniel Hunold legt anscheinend mehr Wert auf Geschmack als auf Schnickschnack. Das passt uns.

Endlich einmal Broccoli, sagt die Tochter und ist mit dem Gemüse und den Spaghetti (24.50 Fr.) sehr zufrieden. Endlich einmal Mangosauce (zu Pouletbrust, Reis und Gemüse, 26.50 Fr.), sagt die Frau – da haben wir etwas verpasst. Aha, Whiskysauce (zum Entrecote, 38 Fr.), sagt der Sohn und ist schon Fan. Endlich wieder Wiener Schnitzel (38 Franken, beides mit Pommes und Gemüse), sagt der Vater und findet dasjenige auf seinem Teller grossartig.

Uns geht es gut, sagen wir. Die aufmerksame Servicefachfrau bringt trotzdem die Dessertkarte. Es hat für jeden etwas: Ein warmes Schokoladenküchlein (11.50 Franken), ein Mousse au Chocolat (12 Fr.) und ein Meringue mit Rahm (8.50 Fr.). Zucker macht noch glücklicher.
Restaurant Obergass, Schulgasse 1, Telefon 052 212 98 28
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