Mamablog: Schluss mit dem DauerstressSonntagsausflüge mit der Familie sind überbewertet
Wir alle kennen das schlechte Gewissen, wenn wir einfach mal Zeit für uns brauchen. Dabei wäre es so wichtig, mehr ausgeruhte Mütter zu haben.

In letzter Zeit spielt mir der Instagram-Algorithmus Witze und Memes zu, die gehen etwa so: «Endlich Ferien!» «Oh, nicht für Mütter, denn bei uns steigt da gewöhnlich das Arbeitspensum.» Diese Contentfetzen werden mir angezeigt, da sie in meiner Internetblase viel Anklang finden – in der Fachsprache viral gehen.
Da war auch mal dieses virale TikTok-Video mit dem Schriftzug «Mein Therapeut riet mir, meinen Stress zu eliminieren» und dazu eine Mutter, die ihren Mann und die Kinder zur Tür aus dem Haus hinausschickt und dazu verschwörerisch grinst. Furchtbar, oder? Ja. Aber ich muss zugeben, kürzlich, da fühlte ich mich ein wenig wie diese Mutter aus diesem furchtbaren TikTok-Sketch.
Es war an einem Sonntag, ich genoss auf dem Balkon meinen Kaffee, fühlte mich ganz wunderbar und hatte gleichzeitig ein schlechtes Gewissen. Das schlechte Gewissen sprach in etwa so auf mich ein: «Ah, so ein Familienausflug wäre schon noch toll gewesen. Make memories und so. Deine Tochter zeigt dir doch so gerne und voller Stolz ihre Tauchfortschritte und diesmal bist du einfach nicht dabei.» Mein Mann fuhr mit den Kindern ins Schwimmbad, ich ging nicht mit, da ich zu müde war und dringend eine ruhige Wohnung brauchte.
Ich teilte meinen geschwänzten Sonntagsausflug mit meiner Insta-Bubble von 17'000 Müttern und war überwältigt von den vielen Reaktionen. Offenbar war an diesem Sonntag nicht nur ich sehr müde.
Es ist politisch, wenn Frauen nicht mehr können
Die Schweizer Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach hat der weiblichen Müdigkeit ihr neustes Buch gewidmet. In «Die Erschöpfung der Frauen. Wider die weibliche Verfügbarkeit» erklärt sie, warum es politisch ist, wenn Frauen nicht mehr können. Und dass vieles mit Care-Arbeit zu tun hat. Da gibt es diese gesellschaftliche Idee der «weiblichen Natur», die Weiblichkeit mit Fürsorglichkeit gleichsetzt. Ob zu Hause oder im Büro – von Frauen wird erwartet, sich um Harmonie, Trost, Beziehungsarbeit zu kümmern. Gleichzeitig bleibt diese Care-Arbeit unsichtbar, wenig anerkannt und entsprechend unbezahlt. Care-Arbeit ist anstrengend. Und die gesellschaftlichen Zuschreibungen, aber auch die verinnerlichten Ansprüche an uns selbst sind anstrengend. Diese Kombination treibt uns Frauen in die Erschöpfung.
Was also machen? Schutzbach überlegt sich dazu unter anderem die politische Idee einer 20-Stunden-Woche: «Zwanzig Stunden Erwerbsarbeit pro Woche muss reichen. In der übrigen Zeit sollten wir andere Dinge tun – uns kümmern, um andere, um den Planeten und um uns selbst.»
Das Gefühl, als Mutter vieles falsch zu machen
Doch wohin mit dem schlechten Gewissen? Viele von uns kennen dieses Dilemma: Wir beneiden den Mann, weil er heute ins Büro darf oder sehnen uns nach Ruhe. Doch kaum ist man selbst im Büro angekommen oder sind die Kinder eingeschlafen, scrollen wir sehnsüchtig durch ihre süssen Fotos und vermissen sie. Manchmal nehme ich diese Zerrissenheit mit Humor. Oft hilft es. Manchmal macht mich das alles traurig und ich habe das Gefühl, als Mutter so einiges falsch zu machen.
«Maybe the real revolution is not a wild, but a rested woman» sagte mal die US-amerikanische Schriftstellerin Elizabeth Gilbert. Die wahre Revolution sei nicht notwendigerweise eine wilde Frau, sondern eine, die ausgeruht ist. Ich ziehe aus der Geschichte folgendes, vorläufiges Fazit: Sonntagsfamilienausflüge sind überbewertet. Denn gute Erinnerungen entstehen nicht nur bei Sonntagsausflügen. Sondern auch unter der Woche, ganz unspektakulär. Beim Schuhebinden helfen zum Beispiel.
Und um diese Erinnerungen schön zu machen, muss ich mich ab und zu zurückziehen und Ruhe tanken. Ganz ohne dieses schlechte Gewissen. Denn die Erschöpfung der Frauen ist politisch. Und vielleicht werden wir das Patriarchat tatsächlich nur mit ausgeruhten Frauen zerschlagen können.
Dieser Text erschien zuerst in der «Sonntagspost», dem Newsletter der Autorin: Hier erfahren Sie mehr dazu.
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