Olaf Ossmann im PodcastDer Anwalt, der Fluchtkunst zurückfordert
Er sorgt für die Sicherheit von Winterthurer Juden und vertritt die Emden-Erben gegen die Bührle-Stiftung vor Gericht. Im «Dialogplatz» spricht Olaf Ossmann über blinde Flecken der Schweiz und den erstarkten Antisemitismus seit der Corona-Pandemie.

Olaf Ossmann ist Vorstand der jüdischen Gemeinschaft in Winterthur. Zum Podcast-Gespräch kommt er mit Kippa und einem 200 bis 300 Jahre alten Besamimturm. Letzteres sei eines der wenigen Familienerbstücke, das den Völkermord an den Juden in Nazideutschland überlebt habe. Das filigrane Silbertürmchen verbreitet beim Ausgang des Sabbats einen süsslichen Duft, an den man sich die Woche über erinnern kann. Obwohl Ossmann im unreligiösen Ostberlin aufgewachsen ist, bedeutet ihm die jüdische Religion viel.
Das ganze Gespräch mit Olaf Ossmann hören Sie hier:
Als Sicherheitsbeauftragter sorgt Ossmann dafür, dass die jüdische Gemeinschaft in Winterthur sicher ist. Gerade Veranstaltungen wie jüdische Feiertage oder Stolpersteinlegungen könnten von Anhängern radikalisierter Gruppen für Attentate missbraucht werden. Man wolle lieber präventiv handeln als zu spät. «Wir könnten es uns nicht verzeihen, wenn etwas passiert», sagt Ossmann.
Angst vor Israels Rechtsreform
Er bedauert jedoch, dass mit mehr Sicherheitsmassnahmen immer auch eine gewisse Abschottung einhergehe. Dem will er beispielsweise mit Schulklassenbesuchen in den Gebetsräumen entgegenwirken. «Abschreckend ist immer, was man nicht kennt. Für uns ist es beruhigend, dass die Schüler zurückhaltend in unsere Räume reinkommen und gelassen wieder rausgehen.»
«Wir wissen aus eigenem Erleben, wie wichtig Rechtstaatlichkeit ist.»
Ossmann, der selbst einige Zeit in Israel gelebt hat, sagt, ihn beängstige die Justizreform, die dort beschlossen wurde. «Wir wissen aus eigenem Erleben, wie wichtig Rechtsstaatlichkeit ist.» Das Ausgrenzen von Personen aus der allgemeinen Masse führe immer dazu, dass die Extremen an Stärke gewännen.
Die kleine jüdische Gemeinde in Winterthur hat eine lange und teils sehr schmerzhafte Geschichte, die von Ausgrenzung, Ungleichbehandlung und sogar Morden überschattet war. Heute sei die Beziehung zur Stadt und zur Stadtpolizei sehr gut. Jedoch merke Ossmann, dass Antisemitismus seit Corona wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt sei. «Solche Sachen (Anmerkung der Redaktion: Die Videos vom Grabe- und Holzofebeck) stossen auf Unverständnis, besonders bei unseren älteren Mitgliedern.» Eine Arbeitsgruppe schaue dann jeweils, wann eine Anzeige Sinn mache.
Schweiz blende Umstände aus
Hauptberuflich ist Olaf Ossmann Anwalt. Als solcher vertritt er vor Gericht oft auch Erben, die Kunstwerke zurückfordern, welche unter schwierigen Umständen erworben wurden. Sein bekanntester Prozess ist wohl der gegen die Bührle-Stiftung. Das Monet-Bild «Mohnblumenfeld», um das es geht, hängt noch immer im Zürcher Kunsthaus.
Die Schweiz setze den Fokus zu sehr auf den Kauf an sich und blende die Umstände des Handels aus, sagt Ossmann. «Man muss auch schauen, ob ein Werk vor oder während der Flucht verkauft wurde.» Es gehe darum, ob der Verkauf auch stattgefunden hätte, wenn der Verkäufer nicht verfolgt worden wäre.

Die Diskussion um die Rückgabe von Kunstschätzen sei sehr schwierig in der Schweiz, weil diese die Betrachtung immer als Vorwurf verstehe. Aber: «Was da passiert ist, ist nicht in Ordnung und hat zu Profit geführt.» Konsequenzen seien auch wichtig, damit sich Fehler nicht wiederholten. «Aber eine gewisse Elite hat kein Interesse an einer dezidierten Aufarbeitung der Geschichte.»
SKKG nimmt anderen Blickwinkel ein
Ossmann ist auch im Team der Winterthurer Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, welche die Sammlung nach zweifelhaft erworbenen Werken durchsucht und diese beurteilt. Ossmann sagt: «Bettina Stefanini, die Stiftungsleiterin, sieht das Erbe ihres Vaters als einen Auftrag.» Dieser Auftrag beinhalte auch, zu schauen, was das überhaupt für Werke sind. «Das finde ich ein sehr gutes Projekt.» Zumal bei der Provenienzforschung von grossen Kunststiftungen bislang solch positive Beispiele fehlten.
Wann welches Thema vorkommt
01:17 In der DDR aufgewachsen
02:55 Was Olaf Ossmann mitgebracht hat
04:03 Die Sicherheit beschäftigt ihn
11:49 Was ist eigentlich der Unterschied zwischen isrealitisch und jüdisch?
18:30 Die Winterthurer Juden im Mittelalter
21:00 Die Wurzeln des Antisemitismus’
24:00 Der Austausch der Religionen in Winterthur
32:21 Emden-Erben gegen die Bührle-Stiftung
37:58 Wieso die Aufarbeitung in der Schweiz schwierig ist
47:19 Die SKKG geht einen anderen Weg
52:25 Erstarkter Antisemitismus während Corona
59:32 Was könnte gegen Verschwörungserzählungen helfen?
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