Kolumne TribüneDer Einkauf als Familienerlebnis
Einkaufszentren waren für den Detailhandel das, was später das Internet für die Druckmedien wurde: erst eine Bedrohung, dann eine Herausforderung und schliesslich eine Chance.

Vor mehr als fünfzig Jahren wurde in Spreitenbach das erste Einkaufszentrum der Schweiz eröffnet, noch bevor der Autobahnanschluss fertig war. Damit begann eine grosse Verlagerung des Detailhandels aus den Innenstädten an die ausfransenden Ränder der Agglomerationen. Die Verkehrswege hoben den Distanzschutz auf.
Mit den Einkaufszentren – zuerst Gemeinschaftswerke der Grossmieter, dann Investorenprojekte, schliesslich Mantelnutzungen bei Sportstadien und so weiter – begann auch der Aufschwung der Fachmärkte. Ursprünglich lag dem Modell des Einkaufszentrums die Idee zugrunde, dass der Mensch möglichst am selben Ort arbeiten, einkaufen und die Freizeit verbringen sollte, was Pendlerwege sparen und die Lebensqualität erhöhen würde.
«Die Fahrt ins Shoppingcenter wurde zum Familienvergnügen, selbst wenn die Läden geschlossen waren.»
Spreitenbach war der erste Versuch, diese Vision zu verwirklichen. Ein Hochhaus, ein Kinderparadies, ein Andachtsraum sogar wurden realisiert, dann wich der Elan der Realität. Die Gemeinde gestattete den Abendverkauf, was 1970 revolutionär war. Und die Ansammlung von 50 kleinen und grossen Geschäften wirkte wie ein Magnet.
Nur Charles Vögele schaffte es
Die Fahrt ins Shoppingcenter wurde zum Familienvergnügen, selbst wenn die Läden geschlossen waren. Restaurants, Kegelbahnen und Fitnessclubs unterstrichen den Anspruch des Centers auf Rundumversorgung der Massen. Ursprünglich bestand der Anspruch, auch Kultur zu vermitteln und Begegnung zu ermöglichen, etwa durch Kongresse und Tagungen.
Geblieben sind schliesslich die mehr oder weniger kommerziellen Attraktionsveranstaltungen, von der Rennwagenschau bis zur Rolf-Knie-Ausstellung. Nur Charles Vögele schaffte es, freilich als Mäzen und nicht als Kaufmann, in Pfäffikon SZ den kommerziellen Mix in eine kulturelle Dimension zu führen – mit dem originellen und gehaltvollen Seedamm-Kulturzentrum, das heute von seiner Tochter Monica als spannende kulturgeschichtliche Informations- und Erlebnisplattform geführt wird.
Einkaufszentren waren damals für den Detailhandel das, was später das Internet für die Druckmedien geworden ist: erst eine Bedrohung, dann eine Herausforderung, schliesslich eine Chance. Heute sind es die Onlinewarenhäuser Zalando, Galaxus, Brack und Co., die diese Rolle übernommen haben.
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