Der Gleiskorridor – Grosstadtachse der Zukunft
Mit der Testplanung für den Gleiskorridor rückt eine neue Form der Stadtentwicklung in den Fokus. Das Forum Architektur schaute zusammen mit Experten in die noch ferne Zukunft.

Einmal mehr hat sich das Forum Architektur als ideale Plattform zur öffentlichen Lancierung und Diskussion von städtebaulichen Grossprojekten in einem erweiterten Zeithorizont erwiesen. Mit dem «Brennpunkt: Gleiskorridor» war die Thematik brandaktuell. Denn die Stadt und die SBB waren kürzlich übereingekommen, das Potenzial der Achse zwischen dem Gleisdreieck im Norden und Töss im Süden gemeinsam in einer Testplanung auszuloten («Landbote» vom 12. April).
Der «dunkle Schweinebauch»
Die von Karin Salm moderierte Expertenrunde war hochkarätig besetzt: Die SBB war mit Alexander Muhm, Leiter der SBB Immobilien, vertreten; Werner Huber, Redaktor bei Hochparterre und Autor der Begleitpublikation «Grosser Bahnhof Winterthur» blickte zurück auf die nicht immer geglückte Baugeschichte des Hauptbahnhofes; Urs Primas vom renommierten Zürcher Architektürbüro Schneider Studer Primas tastete sich an die anspruchsvolle Rolle als Testplaner heran, und Michael Hauser, der scheidende Stadtarchitekt, schlug noch ein paar wichtige Pflöcke in einem Entwicklungsgebiet ein, das vergleichbar ist mit dem Sulzerareal Stadtmitte. Befürchtet wurde nämlich, dass die SBB ein Filetstück in Bahnhofsnähe separat entwickeln wollte. «Stadtpräsident Micheal Künzle schrieb deshalb einen Brief an Andreas Meyer, den obersten Chef der SBB», verriet Hauser. Das Resultat war eine Übereinkunft zu einer gemeinsamen Testplanung.
«Winterthur darf sein Potenzial nicht unterschätzen»
Damit waren die Weichen in eine verheissungsvollere Zukunft gestellt. Denn gerade am guten Einvernehmen zwischen Stadt und SBB hatte es in der Vergangenheit oftmals gefehlt, führte Huber aus. Ziemlich aggressiv sei die Stadt in den 1940er Jahren aufgetreten. Laut Protokollen forderte die Stadtregierung einen neuen Bahnhof, was von der SBB abgelehnt wurde. Das Klima war schlecht, und darum finde man um den Hauptbahnhof mehr problematisches Stückwerk als Gelungenes, wie etwa den «dunklen Schweinebauch» (Aussagen von Lokführern) unter dem Parkdeck, so Huber.
Keine Europa-Allee
Mit dem Startschuss zur Testplanung wurde indes ein neues Kapitel aufgeschlagen. Wer rund 100'000 Quadratmeter an Land an verschiedenen Standorten entlang des Gleiskorridors entwickeln kann, wer in die Zukunft schaut und die kontinuierlich wachsenden Bahnnutzerfrequenzen vor Augen hat und wer die Gunst der Stunde mit dem in die Planung aufgenommenen Brüttenertunnel nutzen will, kann ja nicht anders als die Chancen beim Schopf packen. «Indem wir hier bauen, nehmen wir auch Druck weg von der historischen Gartenstadt», sagt Hauser, der auch auf eine SBB-Station «Försterhaus», in der Nähe des perspektivenreichen Rieterareals gelegen, hofft.
Doch die gigantische Dimension der Planung der künftigen Korridor-Stadt, deren Vollendung um 2050 viele der zahlreichen Anwesenden gar nicht mehr erleben werden, offenbarte der Testplaner Urs Prima mit dem coolen Understatement: «Wir gehen erstmals im Gebiet spazieren». Vielleicht ist das tatsächlich der beste Ansatz bei einer Herausforderung, bei der man zugleich gross und klein denken muss, und angesichts der Ungewissheiten der künftigen Entwicklungen höchste Flexibilität bei den Lösungen gefordert wird. Dann sagte er noch etwas Wichtiges: «Eine von den Planern ausgedachte Europa-Allee wie in Zürich wollen wir nicht. Eigentlich muss Winterthur sich zuerst im Klaren werden, was es in diesem heterogenen Gebiet will: Mehr Arbeitsplätze, mehr Wohnungen oder einen Park?» Primas forderte deshalb eine Zusammenarbeit mit der Bevölkerung. Als zweites Testplanungsteam ist die internationale KCAP mit dem bekannten ETH-Städtebauprofessor Kes Christiaanse vorgesehen. Die Resultate werden Mitte 2018 erwartet.
In der Runde war man sich einig, dass ein verheissungsvoller Auftakt gelungen war. Voten aus dem Publikum betrafen die Ungewissheiten der Wachstumsprognosen. Der SBB-Immobilienmann war dagegen optimistisch: «Bis jetzt lagen wir immer richtig mit unseren Zahlen. Winterthur darf sein Potenzial nicht unterschätzen». Auf die Visionen, Utopien und Ideen der in allen Richtungen offenen Testplanung darf man gespannt sein.
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