Kolumne StadtverbessererDes Autoposers kleine Brüder
Das elektrische Fahren ist bei den Angebern von der Tankstelle noch nicht angekommen. Ihre kleinen Brüder fahren indes längst elektrisch.

Bei den jungen Männern, die der Stadtverbesserer jeden Abend an der Tankstelle vor seinem Haus sieht, gab es jahrelang nur eine Richtung: Möglichst laut musste das Auto sein. Da man auf den engen und Blitzer-verseuchten Strassen der Schweizer Städte und Agglos selten richtig schnell fahren kann, muss man auf andere Arten beweisen, dass die Ego-Kutsche einen überdimensionierten Motor aufweisen kann. Gerne wird mit bewussten Fehlzündungen sichergestellt, dass alle sich umdrehen.
Der Trend zum Elektroauto lässt diese Poserbrüder kalt – es fehlt einfach die Soundkulisse. Aber stimmt das auch für die Zukunft? Während die grossen an der Tankstelle stehen, wuseln die kleinen Brüder der Autoposer auf ihren Harley-artigen Elektrorollern über die Trottoirs. Diese fahrenden Gartenstühle mit den überbreiten Reifen brauchen keine praktische Fahrprüfung, keinen Helm und kein Benzin. Was früher das Töffli war, ist heute der E-Chopper: ein Gefährt für Buben ab 14, die sich zu cool zum Laufen fühlen.
Wie das Töffli hat auch die Coolness des E-Choppers ein Verfallsdatum: Wer mit 18 noch darauf gesehen wird, wird eher belächelt.
Ähnlich gnadenlos ist allerdings auch das Verfallsdatum dieser Coolness. Wer ab 18 noch auf dem Töffli fuhr, konnte damit keinen Eindruck mehr schinden, sondern wurde eher belächelt. Es wird spannend sein, zu sehen, auf welches Gefährt die Generation E-Chopper umsteigt, wenn sie einmal den grossen Führerausweis hat. Vielleicht ist Lautstärke dann kein Kernargument mehr. Zumal die Städte ebenfalls hochrüsten und Lärmblitzer prüfen.
Ein lautloses Rennen
Breitspurig inszenieren kann man sich auch so. Beim Mittagessen im Brühlbergpark sah der Stadtverbesserer zwei Elektro-Töfflibuben zu, die auf dem kreisrunden Parkweg ihre Runden drehten und später versuchten, mit durchdrehenden Pneus Kringel in den Kiesbelag zu fräsen. Ziemlich rüpelhaft, aber fast geräuschlos. Nur das Summen der Nabenmotoren und das Knirschen der Kiesel. Im benachbarten Altersheim dürfte niemand aus dem Mittagsschlaf aufgeschreckt sein. Und wenn doch, hätten sie milde gelächelt: Warte nur – in meinem Alter fährst du wieder elektrisch.
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