Psychologie von Glück und UnglückDie Monotonie der Sonnenseite
Glückliche Menschen ähneln einander stärker als unglückliche, haben Forscher herausgefunden. Generell gleichen sich positive Phänomene mehr als negative.

«Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise», schrieb der russische Schriftsteller Leo Tolstoi als Eröffnungssatz in «Anna Karenina». Offenbar traf er den Nagel genau auf den Kopf: Psychologen sind immer wieder zu dem Ergebnis gelangt, dass das Schlechte mehr Facetten hat als das Gute.
Gerade haben Rumen Iliew vom Toyota Research Institute in Los Altos, USA, und Will Bennis von der Wirtschaftsuniversität Prag eine Studie veröffentlicht, die der Forschung zu diesem Phänomen ein weiteres Kapitel hinzufügt. Glückliche, gesunde und wohlhabende Menschen gleichen einander demnach in zahlreichen Parametern – zum Beispiel Persönlichkeit und Wertvorstellungen – stärker als weniger vom Leben verwöhnte Personen. Das berichten die Forscher in einer online publizierten Arbeit, die bislang noch nicht von anderen Wissenschaftlern begutachtet worden ist.
Iliew und Bennis werteten für ihre Arbeit mehrere grosse Datensätze aus. Darunter die australische Hilda-Studie, für die zwischen 2001 und 2016 mehr als 17’000 Teilnehmer regelmässig befragt wurden. Für den Datensatz wurden auch die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale der Probanden abgefragt, das vermutlich gängigste Messinstrument für die Persönlichkeit. Ausserdem wurden Gesundheit sowie Zufriedenheit der Teilnehmenden ermittelt. Iliew und Bennis analysierten auch einen Teil des World Values Survey, für den mehr als 89’000 Teilnehmer Auskunft zu ähnlichen Parametern gegeben hatten.
In beiden Datensätzen glichen sich die Ergebnisse in den Big-Five-Persönlichkeitsanalysen umso stärker, je weiter die betreffenden Personen auf der Sonnenseite des Lebens standen. Auch in kognitiven Tests erzielten diese Menschen in beiden Studien Ergebnisse, die sich stärker ähnelten als jene der Probanden, die es schwerer im Leben hatten.
Grösserer Wortschatz für negative Emotionen
Für die grössere Vielfalt und die stärkere Wirkung des Negativen haben Psychologinnen und Psychologen in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Belege gefunden. So erinnern sich Menschen zum Beispiel besser an schlechte Ereignisse. Sie erkennen Wörter mit finsterer Bedeutung schneller, von denen es in den meisten Sprachen auch mehr gibt.
Die Beschreibung negativer Emotionen greift zum Beispiel auf einen grösseren Wortschatz zurück als jene glücklicher Zustände. Stärker beachtet werden schlechte Nachrichten sowieso. Und schliesslich wecken verwerfliche Taten ein stärkeres Bedürfnis danach, Ursache und Täter zu benennen – was schnell in einer Illusion von Kausalität mündet.
Bleibt die Frage, warum das Schlechte denn vielfältiger ist. Darüber lässt sich nur spekulieren. Vermutlich, so eine Idee, provozieren negative Ereignisse einen grösseren Druck, sie zu verstehen und zu analysieren – um sie künftig vermeiden zu können.
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