Appell #ZeroCovidDie Pandemie mit Solidarität bekämpfen
Eine Kampagne greift die Idee eines harten Lockdown für mehrere Wochen auf – europaweit konzertiert und einhergehend mit solidarischen Massnahmen. Auf Social Media ist die Zustimmung gross.

Könnte man Corona nicht in den Griff bekommen, wenn man drei oder vier Wochen lang einen radikalen Lockdown durchführt? Bei dem alle daheimbleiben und die Schulen geschlossen sind? Diesen Vorschlag hört man in den Diskussionen um die Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie immer wieder. Im Dezember gab es sogar einen internationalen Aufruf von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die hierfür einen koordinierten europäischen Effort forderten.
Eine der Erstunterzeichnerinnen des Statements, das ursprünglich am 18. Dezember 2020 in «The Lancet» veröffentlicht wurde, ist Sandra Ciesek, die im Wechsel mit Christian Drosten für den deutschen NDR den Corona-Podcast bestreitet. Aus der Schweiz gehören Isabella Eckerle von der Universitätsklinik Genf zu den Unterzeichnerinnen, ebenso Emma Hodcroft und Christian Althaus von der Uni Bern.
Auftrieb erhielt die Idee in Deutschland Anfang Januar durch den offenen Brief von Medizinpersonal an die Bundesregierung. In der breiten Masse angekommen ist die Idee, die Neuansteckungen mit Corona gegen null zu drücken, endgültig mit einer gestern, Donnerstag, lancierten Onlinekampagne.
Der Aufruf will die «politische Lähmung» in Europa überwinden
Die Initianten von «Zero Covid» beziehen sich auf den Appell in «The Lancet», erweitern ihn aber um eine soziale Komponente. Ihr Ziel sei es, die «politische Lähmung» in Europa zu überwinden und bei der Umsetzung der ihrer Ansicht nach notwendigen Massnahmen auch diejenigen einzubeziehen, die oft übersehen werden in der Krise: Obdachlose oder Geflüchtete beispielsweise. Weiterhin fordern sie eine «solidarische Finanzierung» der Krise, auch durch Abgaben auf «hohe Vermögen, Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten Einkommen».
Zu den Erstunterzeichnenden gehören die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die Autorinnen Margarete Stokowski und Teresa Bücker, die Journalisten Georg Restle (Monitor) und Stephan Anpalagan, die Musiker Jens Friebe und Ted Gaier (Die Goldenen Zitronen), Julia Reda, ehemalige Abgeordnete im EU-Parlament sowie die in Bern geborene Philosophin Rahel Jaeggi. Des Weiteren finden sich in der Liste neben zahlreichen Privatpersonen auch Einrichtungen und Vereine.
Begleitet wird die Aktion von professionell aufgemachtem Material für Social-Media-Kanäle. Die digitalen Textkärtchen eignen sich besonders zur Verbreitung auf Instagram, es gibt bereitgestellte Formate für sogenannte Karussell-Posts (für die man mehrere Bilder hochlädt; die Betrachter können von einem zum nächsten Bild wischen) oder Insta-Storys. Explizit ist auch die Einladung zur Nutzung des Hashtags #ZeroCovid.
Die Initiative selbst ist auch auf Social Media präsent: Auf Instagram folgen ihr mittlerweile mehr als zehntausend, auf Twitter rund zweieinhalbtausend, ähnlich viele sind es auf Facebook. Hier bestätigt sich der Eindruck, dass Instagram mittlerweile der Kanal für Netzaktivismus ist. Dort zählt nicht unbedingt die reine Zahl der Follower, sondern wie viele Menschen man erreichen kann: Gestern verbreiteten sich die Posts zur Aktion rasant in den Storys. Die dazugehörige Unterschriftensammlung ist mittlerweile (Stand Freitagnachmittag) von etwas über 30’000 Personen gezeichnet worden. Die Initianten zeigen sich auf Social Media überwältigt vom Erfolg.
Kritik gibt es auch von links
Doch es gibt auch Kritik: Die linke Tageszeitung TAZ hob das Thema gestern prominent aufs Titelblatt ihrer gedruckten Ausgabe. In einer Kolumne gibt es Zuspruch von der Erstunterzeichnerin Hengameh Yaghoobifarah. Auch der Redaktor Thomas Gerlach lobt in einem Kommentar dann zwar die Vision einer letztlich durch Corona radikal anderen Gesellschaft, nennt den Ansatz von «Zero Covid» aber eine «halbtotalitäre Fantasie». Welches Echo die Forderungen in der Schweiz finden, muss sich in den nächsten Tagen zeigen: Sie ist wie Österreich auch explizit mit angesprochen.
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