Nadine Fähndrich & Laurien van der GraaffNach den Tränen sprinten die Schweizerinnen in die Sportgeschichte
Die Langläuferinnen von Swiss-Ski sichern sich Silber im Teamsprint. Es ist das gemeinsame Glück ganz unterschiedlicher Athletinnen.

Am Anfang war das Drama: Nadine Fähndrich, die bislang so souveräne Teamleaderin, startete mit einer Klatsche in diese WM. Sie sprach nach ihrem Ausscheiden in der Qualifikation des Einzelsprints von ihrem schwärzesten sportlichen Tag. Tränen kullerten ihr dabei über die Wangen.
Damit schien die kecke Aussage kurz zuvor, dass alles andere als eine Medaille im Teamsprint mit Laurien van der Graaff eine Enttäuschung sei, nur noch eine allzu optimistische Phrase zu sein. Zumal sich die Luzernerin dann am Sonntagmorgen in der Teamqualifikation abermals schwertat – und wieder ins Grübeln kam.
«Wir probieren, einfach Spass zu haben.»
Es brauchte das Zureden von Van der Graaff, die ihr sagte: «Wir probieren, einfach Spass zu haben und das Ganze zu geniessen.» Der Peptalk der Erfahreneren, immerhin in ihrer wohl einzigen und letzten Chance auf eine WM-Medaille, half.
In Schlagdistanz zu Platz 3 schickte Van der Graaff im tiefen Kunstschnee von Oberstdorf die endschnelle Kollegin auf die finale Runde. Und plötzlich flog Fähndrich an einer Athletin nach der anderen vorbei. Im letzten Aufstieg schien sie gar die superfavorisierten Schwedinnen kitzeln zu können.
Da blitzte in ihr der Gedanke auf, ob allenfalls gar Einzelweltmeisterin Jonna Sundling zu schlagen sei. Aber diese wehrte sich erfolgreich, im Gegensatz zu allen anderen Gegnerinnen. Trotzdem durften sich Laurien van der Graaff und Nadine Fähndrich über eine historische Medaille an Welttitelkämpfen für hiesige Langläuferinnen freuen. Erst Evi Kratzer hatte anno 1987 die erste und bislang einzige Top-3-Klassierung für Swiss-Ski in der Sparte Nordisch Frauen geholt, ebenfalls in Oberstdorf, mit Rang 3.
Der zweite Coup war nun insofern einer mit Ansage, als das rasante Schweizer Duo die letzten vier Weltcups auf dem Podest beendet und einen selbstbewussten Vor-WM-Boost ausgelöst hatte. Doch während die 33-jährige Van der Graaff immer wieder mit selbstbewussten Tönen aufgefallen war, verdeutlichten die markigen Worte auch von der 25-jährigen Fähndrich, dass sie in den letzten beiden Wintern stark an Selbstvertrauen zugelegt hat.
Die riesige Erleichterung
Davor galt sie zwar als grosses Versprechen, aber auch als Sensibelchen. Nach schlechten Rennen benötigte sie jeweils intensives Zureden. Wie stark sich Fähndrich in dieser Hinsicht verbessert hat, offenbarte nun ihre Darbietung in Oberstdorf. Entsprechend sagte sie: «Es ist eine riesige Erleichterung, zumal ich mich noch am Morgen nicht so gefühlt hatte, wie ich es mir wünschte.»

Aber dieses «Urvertrauen», das Van der Graaff zwischen sich und ihrer Partnerin als Erfolgskitt vorfindet, wirkte abermals. Zudem hilft, dass die beiden zwar fast eine Langlauf-Generation trennt – Van der Graaff denkt mit ihren 33 Jahren an den Rücktritt, Fähndrich befindet sich am Anfang ihrer internationalen Karriere –, sie sich aber auch privat mögen.
Pionierin Van der Graaff
Van der Graaff war lange die einzige Topathletin im Schweizer Langlauf und an den Weltcups entsprechend oft allein bzw. nur unter Männern. «Man geht lieber von daheim weg, wenn andere Frauen dabei sind», sagt sie. Sie ist für Fähndrich insofern eine Wegbereiterin, als es ebenfalls Van der Graaff war, die exakt 30 Jahre nach Kratzer 2017 erstmals einen Weltcupsieg für sich und die Equipe holte. Damit zeigte sie den Jüngeren, dass auch Schweizerinnen im Traditionssport sehr wohl (noch) Weltklasse sein können.
Dafür musste die Davoserin allerdings manchen Ministreit mit dem Verband austragen. Sie bereitet sich bis heute primär ausserhalb der Strukturen von Swiss-Ski vor. Lange war ihr Alleingang von den Funktionären und Trainern ungern gesehen. Aber es fehlten ihnen die Alternativen, als dass sie es sich mit der schnellen Solistin hätten vertun können.
Solche Widerstände musste Fähndrich, die bereits als Zweijährige auf Langlaufski stand, nie überwinden. Ihr Weg verlief im System, geordnet und im Gegensatz zu Van der Graaff geradlinig (erfolgreich). Aus diesen Gegensätzen hat sich nun eine einmalige Glückskombination ergeben.
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Die Freude war wohl nur von kurzer Dauer und die Schweiz ist derzeit letzter im Medaillenspiegel, weit weg von weiteren Podestplätzen. Kein Wunder berichtet die BaZ nicht mehr von der nordischen Ski-Weltmeisterschaft.