Oscars 2022Die Tops und Flops
Von realer Gewalt auf der Bühne bis zum rührenden Siegerfilm: So emotional war die Verleihung.
Top: «Coda»


Der beste Moment des Abends war die Rede in Gebärdensprache von Troy Kotsur, der früh als bester Nebendarsteller gewann. Sie war ergreifend, aber auch witzig, wehmütig und auch ein wenig frech. So wie der ganze Film «Coda». Vor einem Monat hatte ihn noch niemand auf dem Radar, jetzt ist er der grosse Sieger des Abends. Der richtige Film zur richtigen Zeit.
Top: Liza Minnelli

Mit Lady Gaga hat niemand an der Oscarverleihung gerechnet, schliesslich war sie für ihre Rolle in «House of Gucci» schnöde übergangen und nicht nominiert worden. Aber da stand sie auf der Bühne, ganz zum Schluss, und nicht alleine: Neben ihr sass Liza Minnelli im Rollstuhl. Gemeinsam würdigten sie das vor fünfzig Jahren entstandene Musical «Cabaret», gemeinsam verkündeten sie den besten Film. Gelungene Überraschung.
Top: Wanda Sykes

«Drei Frauen sind günstiger als ein Mann», witzelte Amy Schumer zu Beginn der Show. Die Moderatorinnen waren ihren Preis auf jeden Fall wert. Zum Beispiel, als Regina Hall ein paar Männer – ja, auch Timothée Chalamet – zum privaten Corona-Test abschleppte. Dann als Amy Schumer als Spiderman in den Seilen zappelte. Und – der Höhepunkt – als Wanda Sykes mit Bart und Tennisbällen den «King Richard» imitierte.
James-Bond-Song

Der Song aus «No Time to Die» ist einfach perfekt: Genau die richtige Mischung aus Pathos und Leichtigkeit. Billie Eilish und ihr Bruder Finneas O’Connell sorgten für den musikalischen Gänsehautmoment an diesem Abend. Und auch dafür, dass der im Oscarjahr vorübergehend verstorbene James Bond doch noch richtig gewürdigt wurde. Womit wir bei den Flops sind.
Flop: Bond-Hommage

Die James-Bond-Saga begann ja vor sechzig Jahren mit «Dr. No». Um das zu würdigen, standen drei Sportler auf der Bühne, und es gab einen munteren Zusammenschnitt aus alten Filmen. Das war ziemlich lieblos, zumal auch Judi Dench im Saal gewesen wäre, die die Reihe ja geprägt hat. Und auch noch Rami Malek, der 007 in «No Time to Die» in den Tod getrieben hat. Eine verpasste Chance.
Flop: In Memoriam

Die Minuten mit den Namen der Verstorbenen gehören in der Regel zu den besinnlichen Momenten der Oscarfeier. Dieses Jahr gab es neben den Bildtafeln auch persönliche Würdigungen: Bill Murray gedachte zum Beispiel seines «Ghostbusters»-Regisseurs Ivan Reitman. Eigentlich eine gute Idee, aber sie funktionierte nicht und sorgte eher für Verwirrung. Wir mussten zum Beispiel zurückspulen, um zu überprüfen, ob die Kamerafrau, die beim tragischen Unfall auf dem Set von Alec Baldwin ums Leben kam, überhaupt vorgekommen war. (Ja, sie war).
Flop: Dramaturgie

Ja, es war eine Show wie in alten Zeiten, mit Moderation, frechen Sprüchen und Überraschungen. Und ja, sie hatte ähnliche Probleme in Dramaturgie und Länge wie alle Oscarshows zuvor. Die versprochenen drei Stunden wurden um 25 Minuten überschritten. Die aufgezeichneten Oscars sorgten für Verwirrung, weil zum Beispiel schon vor der Show bekannt war, dass die Schweiz keinen Oscar gewinnen würde. Und die aktuelle Situation in der Ukraine und sonst auf der Welt wurde zwar ein paar Mal kurz angesprochen. Aber ein starkes Zeichen gab es, ausser einer Schrifttafel und ein paar Schweigesekunden, nicht.
Flop: Schlag

Ja, was war das nun, das Rencontre zwischen Chris Rock und Will Smith auf der Oscarbühne? Ein inszenierter Gag, wie zuerst viele dachten? Eine gezielte Provokation? Die Produzenten antworteten zwei Stunden nach dem Schlag mit der offenen Hand mit einer Medienmitteilung. Darin steht: «Die Akademie duldet keine Form der Gewalt.» The End?
Matthias Lerf hat eine langjährige Erfahrung als Kulturredaktor in Bern und Zürich. 2008 gewann er den Prix Pathé für eine herausragende Filmkritik.
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