Krimi der WocheDon Winslow lanciert seine Abschiedstrilogie
Mit einer Gangsterreihe, die jetzt mit «City on Fire» startet, verabschiedet sich der US-Starautor von der Schriftstellerei, um sich ganz dem Kampf gegen Donald Trump zu widmen.

Der erste Satz
Danny Ryan sieht die Frau dem Wasser entsteigen, sie taucht auf wie ein Bild aus einem Traum vom Meer, wie eine Vision.
Das Buch
Der amerikanische Starautor Don Winslow, der vor allem mit seiner «Kartell-Trilogie» über den Drogenkrieg Furore machte, stammt aus dem kleine US-Bundestaat Rhode Island in Neuengland. Diesen und dessen Hauptstadt Providence macht er zum Schauplatz des Auftakts einer neuen Krimitrilogie. Es seien seine letzten drei Romanen, teilte der 68-Jährige im April mit.
Nach «City on Fire» wird in einem Jahr der zweite, in zwei Jahren der dritte Band erscheinen. Die Bücher seien geschrieben, und er werde sich in Zukunft voll und ganz dem Kampf gegen Donald Trump und den Trumpismus widmen.
Politik steht in seinem neuen Roman nicht im Vordergrund, spielt aber durchaus eine Rolle. Etwa wenn er ätzt, das eine inoffizielle Staatsmotto von Rhode Island laute «Ich kenne jemanden», das andere «Hättest du es wissen sollen, wüsstest du es». Im Mittelpunkt von «City on Fire» stehen Auseinandersetzungen zwischen Gangstern in Providence in den Achtzigerjahren. Insbesondere zwischen der irischen und der italienischen Mafia, aber bald sind auch die Schwarzen involviert.
Winslow greift auf die griechische Tragödie zurück, wo es alles schon gab: Macht, Mord, Rache, Korruption, Gerechtigkeit, Erlösung.
Am Anfang herrscht noch entspannte gegenseitige Akzeptanz zwischen den Nachkommen der irischen und der italienischen Einwanderer. Doch die nachrückende Generation der Italiener will mehr, und da kommt ihnen gerade recht, dass ein junger irischer Tunichtgut einem Italiener die Freundin ausspannt. Da muss die Ehre verteidigt werden, und mit diesem Vorwand beginnt ein harter Bandenkrieg.

Hauptfigur ist der irischstämmige Danny Ryan. Teile von Schiffsladungen im Hafen abzweigen und Lastwagen überfallen sind sein Ding. Mit Drogen will er nichts zu tun haben, und die Hände blutig machen will er sich auch nicht. Trotz Deeskalationsversuchen steht er aber bald mitten in mörderischen Auseinandersetzungen. Und sieht sich selbst als Heuchler, der eine Todsünde begeht, um seine Seele zu retten.
Don Winslow bezieht sich auf die alten griechischen Tragödien, insbesondere auf Aischylos, bei dem es schon alle Themen des modernen Kriminalromans gegeben habe: Macht, Mord, Rache, Korruption, Gerechtigkeit, Erlösung. Mit seiner Trilogie wolle er eine moderne Version dieser Geschichten erzählen.
Sein Drama ist nicht frei von Klischees und erliegt zuweilen einer Romantisierung des Gangstertums. Doch er setzt sich von Romanen, bei denen es dabei bleibt, deutlich ab, unter anderem, indem er Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Rassismus thematisiert. Auch weil er Frauen profilierter zeichnet, als dies im Genre üblich ist. Und mit seinem handwerklichen Können sorgt er dafür, dass die Geschichte immer unterhaltsam bleibt. Ich werde die Fortsetzung auf jeden Fall lesen.
Die Wertung
Originalität: ★★★★☆
Spannung: ★★★★☆
Realismus: ★★★☆☆
Humor: ★★★☆☆
Gesamteindruck: ★★★☆☆
Der Autor

Don Winslow, geboren 1953 in New York City, wuchs an der Küste von Rhode Island auf. Er studierte an der University of Nebraska afrikanische Geschichte und arbeitete unter anderem als Privatdetektiv sowie als Safarileiter in Kenia und China, bevor er Militärgeschichte zu studieren begann.
Anfang der 1990er startete er seine Schriftstellerkarriere mit der Serie um den privaten Ermittler Neal Carey. Spätestens seit dem Meisterwerk «The Power of the Dog» (2005; Deutsch: «Die Tage der Toten», 2010) gehört Winslow zu den erfolgreichsten Autoren des Genres. Nach diesem Drogenkrieg-Epos brillierte er mit ein paar witzigen Südkalifornien-Surfer-Krimis, die auf Deutsch vor «Die Tage der Toten» erschienen sind. Inzwischen hat Winslow mehr als 20 Bücher veröffentlicht. «Savages» wurde 2012 von Oliver Stone verfilmt und machte Winslow definitiv zum Star.
Don Winslow tritt für die Legalisierung der Drogen ein, da nur eine Entkriminalisierung den Kartellen und Banden das Geschäft verderben könne.
Neben seinen brillanten Romanen sind auf Deutsch auch wenig überzeugende Werke wie «Vergeltung» und «Missing: Germany» erschienen, die auf Englisch gar nicht veröffentlicht wurden. Mit «Das Kartell» (2015) und «Jahre des Jägers» (2019) baute er die Geschichte von «Die Tage der Toten» eindrücklich zur insgesamt mehr als 2500 Seiten umfassenden «Kartell-Trilogie» aus. Zurzeit sind mehrere Filmprojekte, die auf Werken von Winslow basieren, in Arbeit.
Don Winslow tritt für die Legalisierung der Drogen ein, da nur eine Entkriminalisierung den Kartellen und Banden das Geschäft verderben könne. Vor allem während der Trump-Präsidentschaft begann Winslow sich mehr und mehr politisch zu engagieren. Zur Veröffentlichung von «City on Fire», den Auftakt einer Gangstertrilogie, kündigte er im April 2022 an, nun keine weiteren Romane schreiben zu wollen. Die beiden Fortsetzungen, die im Frühjahr 2023 und im Frühjahr 2024 erscheinen werden, seien bereits geschrieben. Er werde sich jetzt mit seiner «digitalen Armee» voll und ganz seinem politischen Engagement gegen ein Comeback von Donald Trump und gegen den «Trumpism» widmen. Winslow lebt in Südkalifornien und in Rhode Island.

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