Ein Ingenieur der Gebrüder Tinner steht vor Gericht
Am Donnerstag muss sich vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona ein Ingenieur verantworten, der zeitweise bei den Atombomben-Aktivitäten von Friedrich Tinner und dessen beiden Söhnen Urs und Marco mitgearbeitet haben soll.
Dem 65-jährigen St.Galler wird der Verstoss gegen das Kriegsmaterialgesetz vorgeworfen. Konkret soll er zusammen mit den bereits verurteilten Tinners ein Steuersystem für Zentrifugen entwickelt haben, mit dem Uran angereichert werden sollte. Der Strafbefehl der Bundesanwaltschaft ist Anfang September an das Bundesstrafgericht überwiesen worden. Der Angeklagte war bereits Ende 2012 zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 250 Franken sowie zu einer Busse in Höhe von 6000 Franken verurteilt worden. Gegen diesen Strafbefehl erhob er Einsprache. Im Juli erhob die Bundesanwaltschaft einen zweiten Strafbefehl, der Angeklagte reichte erneut Einsprache ein.
Nichts gewusst vom Zweck?
Gemäss dem Strafbefehl der Bundesanwaltschaft hatte der Ingenieur das Steuersystem für Zentrifugen ab Januar 2003 entwickelt. Der Mittsechziger war zunächst überzeugt, dass seine Arbeit rein zivilen und nicht militärischen Zwecken dient. Erst im Juni bemerkte er, dass die Technologie für den libyschen Staat gedacht war. Für seine Arbeit erhielt der Mann ein Honorar von 30000 Franken, überwiesen von Marco Tinner. Dieser investierte zusätzlich 100000 Franken ins Unternehmen des Angeklagten. Ein Jahr später, 2004, kam die Affäre Tinner in der Schweiz mit der Verhaftung der beiden Brüder Urs und Marco ins Rollen. Zuerst wurde gegen die beiden Tinner-Brüder, deren Vater und den Ingenieur gemeinsam ermittelt. Später trennte die Bundesanwaltschaft das Verfahren gegen den Ingenieur von der anderen Untersuchung ab. Im September 2012 hatte das Bundesstrafgericht die Tinners der «Förderung der Herstellung von Kernwaffen» schuldig gesprochen. Friedrich Tinner wurde zu einer bedingten, seine beiden Söhne wurden zu unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Ins Gefängnis mussten aber auch sie nicht, da ihnen die Untersuchungshaft angerechnet wurde. Die Urteile wurden nach einem abgekürzten Verfahren gefällt, von dem Zeugen und Sachverständige ausgeschlossen waren. Sie zerstreuten viele offenen Fragen nicht.
Im Dienste der CIA
Die Affäre um die Gebrüder Tinner und deren Vater beschäftigte während Jahren Politik, Gerichte und Öffentlichkeit. Friedrich Tinner hatte seit den späten 1970er-Jahren im Netzwerk des pakistanischen «Vaters der Atombombe» Abdul Qadeer Khan an der Urananreicherung zur Produktion von Atomwaffen mitgewirkt. Seine Söhne stiegen in den 1990er-Jahren ins väterliche Geschäft ein. 2003 wurden die Tinners laut Urs Tinner vom US-Geheimdienst CIA angeworben. Dank ihrer Hilfe sei es gelungen, das Atombombenprogramm des früheren libyschen Diktators Muammar al-Ghadhafi lahmzulegen. Die angebliche CIA-Tätigkeit konnte die Bundesanwaltschaft auf Geheiss des Bundesrates aber nicht unter die Lupe nehmen. Die Landesregierung hatte 2008 zudem auf Druck der USA Material aus dem Tinner-Verfahren schreddern lassen.
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