Ein Tablet vor dem Kopf
Unser Kolumnist über die Entscheidung des bürgerlich geprägten Gemeinderats das Winterthurer Bildungsbudget zu kürzen.
Die Schildbürger bauten sich ein neues Rathaus, nur hatten sie die Fenster zu bauen vergessen, sodass sie nun mit Säcken und Eimern das Licht einfangen und ins Rathaus tragen mussten.
In Winterthur tagt der Gemeinderat zwar in besser beleuchteten Räumen, Durchblick bei den Ratsmitgliedern ist damit aber trotzdem nicht garantiert. So haben nämlich jüngst die drei bürgerlichen Parteien unterstützt von den Grünliberalen im Gemeinderat kräftig das Schulbudget fürs nächste Jahr zusammengestrichen.
Das ist ähnlich klug, als würde ich einen Steinway kaufen, hätte dann aber kein Geld, um Klavierstunden zu nehmen.
Das ist umso bemerkenswerter, als es dieselben Parteien sind, denen doch gemäss eigenen Worten nichts mehr am Herzen liegt als die konkurrenzfähige Innovationskraft der Schweiz. Ob nicht Innovation was mit Bildung zu tun haben könnte? Und ob man in Ländern wie den USA nicht seit Jahren sehen kann, was für ein Schuss ins eigene Knie es ist, wenn man die Ausbildung der eigenen Bevölkerung verkommen lässt?
Doch davon lassen die hiesigen Sparfüchse sich nicht beirren und liefern stattdessen die perfekte Allegorie für eigene Denkverkürzung: So haben sie zwar im November einen Kredit für neue Tabletcomputer in den Sek-Schulen bewilligt, bei der Schulinformatik hingegen wollen sie jetzt sparen.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Man investiert das Geld also lieber bei einem externen Gerätelieferanten statt beim internen Wissen. Für Programme von Techgiganten wird gezahlt, beim persönlichen Inhalt hingegen, auf den es am Ende doch ankommen würde, wird gekürzt. Das ist ähnlich klug, als würde ich einen Steinway kaufen, hätte dann aber kein Geld, um Klavierstunden zu nehmen.
Und auch wer nun einwendet, die Jugend von heute würde den Gebrauch mit digitalen Geräten sowieso von selber lernen, beweist damit nur, wie wenig er oder sie sich in den Debatten auskennt: Dass nämlich die angeblichen Digital Natives ein blosser Mythos sind, haben Forschungsprojekte schon vor Jahren widerlegt.
Bleibt also nur anzunehmen, dass die Politik davon ausgeht, dass sich innovativer Gebrauch von Geräten irgendwie osmotisch auf Schülerinnen und Schüler überträgt. Regelmässiges Tablet-Auflegen auf die Stirn – ob das allein schon reicht? Immerhin: Mit einem Tablet bzw. Brett vor dem Kopf denkt es sich zwar nicht innovativ, prädestiniert aber offenbar für einen Sitz im Gemeinderat.
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