Essay über Russlands MilitärEine Armee zwischen schönem Schein und bitterer Realität
Im Westen gefürchtet, in Russland bewundert, hat die russische Armee sich im Ukraine-Krieg selber als hohler Popanz entlarvt. Die Hintergründe reichen weit in die Geschichte zurück.

Den gescheiterten russischen Angriff auf Kiew in den ersten Kriegswochen mag man auf die falsche Einschätzung der ukrainischen Widerstandskraft zurückführen. Doch der für den Angreifer blamable weitere Kriegsverlauf hat aufgedeckt, dass die Ursachen dieses Desasters tiefer liegen. Zutage tritt ein Phänomen, welches die russische Geschichte seit Jahrhunderten begleitet – die Tradition des «schönen Scheins». Wenn im zwinglianisch geprägten Zürich lange die Devise galt «mehr Sein als Scheinen», war und ist es in Russland umgekehrt. Das muss unausweichlich Probleme bereiten, wenn der schöne Schein einem radikalen Realitätstest unterworfen wird.