Kolumne LomoErlebnisweg
Das Wort «Erlebnis» ist für den «Landbote»-Kolumnisten weder positiv noch negativ besetzt. Ein Unfall ist nämlich genauso ein Erlebnis wie ein Lottogewinn.

Auf meinen Spaziergängen im Wald komme ich auch immer an der Stelle mit jenem Schild vorbei, das mir den dort abzweigenden Pfad als «Erlebnisweg» anpreist. Immer wieder bleibe ich hier stehen und grüble, ob ich diesen Erlebnisweg begehen oder doch lieber vermeiden soll. Zwar nehme ich an, dass die Urheber dieses Schild nicht als Warnung, sondern als Einladung aufgestellt haben und dass in ihren Ohren der Name «Erlebnisweg» wohl nur positiv klingt.
«Weisst du, das mit dir und mir ist jetzt einfach eine Erinnerung. Nicht unbedingt eine schöne, aber immerhin eine Erinnerung.»
Ich hingegen bin da allzu sprachsensibel, um hier nicht auch potenzielle Gefahr zu wittern. Denn schliesslich ist das Wort «Erlebnis» an sich weder gut noch schlimm, sondern zunächst einfach mal neutral. Wenn ich mir einen Zahn rausschlage, dann ist das genauso ein Erlebnis, wie wenn ich einen Klumpen Gold finde.
Von daher könnte der Erlebnisweg also durchaus auch der Weg sein, auf dem ich zuerst in eine Pfütze latsche und danach in einen Haufen Hundekot trete, über eine Wurzel stolpere und mir beim Hinfallen das Knie aufschlage, während mir ein herunterfallender Ast auf den Kopf haut.
Damals ein Grund für Tränen, heute ein Grund zum Lachen
Ganze fünf Erlebnisse auf nur einer Strecke – der Erlebnisweg würde seinem Namen alle Ehre machen, und trotzdem würde ich diesen Weg nicht unbedingt weiterempfehlen, denn man merke: Auch schlechte Erlebnisse sind welche. Ich muss dabei an jene Schulfreundin denke, die damals im zweiten Gymi mit den Worten Schluss gemacht hat: «Weisst du, das mit dir und mir ist jetzt einfach eine Erinnerung. Nicht unbedingt eine schöne, aber immerhin eine Erinnerung.»
Was mich damals zu Tränen gebracht hat, bringt mich heute immer wieder zum Lachen. Zudem ist der altkluge Spruch natürlich wahr. Erinnerungen sind nicht deswegen schon gut, weil sie Erinnerungen sind. Und mit Erlebnissen ist es genauso. Indes, wenn es ja so ist, dass sowieso alles, was uns begegnet, ein Erlebnis ist, dann wird der Name «Erlebnisweg» nur noch unsinniger. Denn schliesslich erlebe ich auch auf dem Weg, der nicht Erlebnisweg heisst, so einiges.
Von daher muss ich mir im Wald also eigentlich gar nicht so viele Gedanken, sondern mir nur klarmachen, dass jeder Weg, egal, welchen ich wähle, automatisch auch ein Erlebnisweg ist. Und sollte ich mir dabei einen Zahn rausschlagen, halte ich mich an die Weisheit der Ex-Freundin: vielleicht kein schönes Erlebnis, aber immerhin ein Erlebnis.
Fehler gefunden?Jetzt melden.