Happy End für flauschige Falken
Über eine Webcam lässt sich das Leben von Stadtzürcher Falken verfolgen. Die Zuschauer wurden den Jungtieren nun beinahe zum Verhängnis.

Plötzlich schienen die Eltern der sechs jungen Turmfalken nicht mehr zurückzukehren. Den Jungvögeln, die in einem Kamin mitten in der Stadt Zürich nisten, drohte der Hungertod. «Das passiert in der Natur regelmässig, etwa wenn die Eltern lange keine Nahrung finden», sagt Andreas Lischke, Leiter der Greifvogelstation Berg am Irchel. Doch im Unterschied zu einem abgelegenen Nest irgendwo in der freien Natur, waren diese kleinen Vögel nicht unbeobachtet. Zwei Kamerasübertragen das Leben dieser Falken via Internet. Auf Facebook hat die Gruppe «Falken in Zürich» über 500 Fans, die regelmässig liken, kommentieren und Inhalte teilen.
Besorgte Webcam-Fans
Deshalb wuchs auch der Druck, als die Eltern nicht mehr auftauchten. Unklar blieb, ob die Eltern tatsächlich verschwunden waren. Da die Übertragung nirgends abgespeichert wurde, konnten die Verantwortlichen von Grün Stadt Zürich, die die Webcam betreuen, nicht zurückspulen. Lischke von der Greifvogelstation wurde kontaktiert. «Wir konnten natürlich nicht tatenlos zuschauen, wie die Jungen sterben, das wäre unmenschlich gewesen.» Vonseiten einiger besorgter Fans habe es Forderungen gegeben, dass etwas unternommen werden solle.
Am 13. Juni kletterte ein Wildhüter auf den Kamin und es gelang ihm, vier der sechs Jungen einzufangen. «Zwei der Küken traten die Flucht nach vorne an, als die hintere Luke geöffnet wurde und sprangen dabei aus dem Nest», sagt Lischke.
Ein Tag später dann das Dilemma: Die erwachsenen Falken kehrten zurück und trafen ein leeres Nest an. Eine Frau postete auf Facebook gar ein Video mit Zeitstempel, auf dem ersichtlich ist, dass die Eltern nicht die ganze Zeit abwesend waren, sondern am Sonntag noch eine Eidechse an die Jungen verfüttert hatten.
«Durchaus positiver Effekt»
Die zwei Jungen, die bei der Rettungsaktion aus dem Nest gefallen waren, wurden einige Tage später von Mitarbeitenden von Entsorgung und Recycling Zürich entdeckt. «Sie sind alle topfit und werden ganz normal gross», sagt Lischke.
In der Zwischenzeit sind die Vögel ausgewachsen, sie fliegen und jagen bereits in der fünfzehn Meter langen Voliere in der Greifvogelstation in Berg am Irchel. Lischke sagt: «Es war ein Missverständnis mit einem durchaus positiven Effekt, die Tiere haben nun beste Voraussetzungen für die Zukunft.» Das wäre in der freien Natur nicht unbedingt gewährleistet gewesen. «Gerade beim ersten Ausfliegen sterben viele Jungtiere, weil sie von Katzen attackiert werden oder in Fensterscheiben fliegen.» Die Sterberate sei in den ersten Wochen am grössten. «Deshalb produziert ein Vogelpaar auch mehrere Junge, selten überleben alle.»
Laut ihm gibt es auch bereits wieder Anzeichen, dass die Falken wieder mit Brüten beginnen werden, sie scheinen also über den Verlust hinweg gekommen zu sein. Lischke sagt, dass man von «einer Vermenschlichung der Tiere» Abstand nehmen soll: «Die Natur ist nicht nachtragend, Eltern verschwenden kaum Energie, um die Jungen zu suchen oder gar zu trauern.» Bereits nächste Woche sollen die Falken ausgewildert werden.
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