Folgen des Krieges in der UkraineHohe Dieselpreise setzen lokale Transportfirmen unter Druck
Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine steigt der Dieselpreis rasant. Doch nicht nur die steigenden Treibstoffkosten belasten Transportunternehmen in der Region.

Der Krieg in der Ukraine treibt den Dieselpreis in die Höhe. In der ersten Aprilwoche erreichte er gemäss der Treibstofftabelle des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands Astag den in diesem Jahr bisher höchsten Wert: 2.25 Franken zahlte man im Schnitt für einen Liter Diesel. Das sind gut 40 Rappen mehr als zu Beginn des Jahres und gut 30 Rappen mehr, als man vor Kriegsausbruch für den Liter Diesel hinblättern musste. Dieser massive Preisanstieg macht sich nicht nur in den Portemonnaies von Autofahrerinnen und Autofahrern bemerkbar. Besonders schwierig ist die Situation für Unternehmen, die im Transportwesen tätig sind und deren Treibstoffverbrauch entsprechend hoch ist.
«Wir müssen die Preise sofort anpassen.»
«Unser Geschäft ist durch die hohen Energiepreise massiv beeinträchtigt», sagt Urs Schönbächler, Geschäftsführer der Gatra AG. Die Flotte des Unternehmens aus Illnau-Effretikon, das auf Bau- und Transportprojekte spezialisiert ist, umfasst 65 Fahrzeuge. Damit diese Güter von Ort zu Ort transportieren können, benötigt die Gatra AG rund zwei Millionen Liter Diesel pro Jahr. «Wenn man ausrechnet, wie viel uns das bei der jetzigen Preissituation kostet, ist das gewaltig.» In Zahlen: Liegt der Dieselpreis bei 2.25 Franken pro Liter, bezahlt man für zwei Millionen Liter Diesel 600’000 Franken mehr als bei einem Dieselpreis von 1.85 Franken pro Liter.
Diese Mehrkosten muss Schönbächler momentan hauptsächlich den Margen anlasten und somit selber tragen. Doch so weiterzumachen, sei keine Option. «Wir müssen die Preise sofort anpassen.» Seit AnfangsMärz verhandelt Schönbächler deshalb mit Kundinnen und Kunden.
Unternehmen überprüfen Zuschlag
Will ein Transportunternehmen die steigenden Kosten für Treibstoff an die Kundschaft weitergeben, so gibt es grundsätzlich zwei Optionen: Entweder es erhöht die Preise für angebotene Dienstleistungen, oder es verlangt einen Dieselzuschlag. Dieser wird separat verrechnet und basiert auf Empfehlungen des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands.
Schönbächler verhandelt mit seinen Kunden und Kundinnen zurzeit beide Optionen. Grundsätzlich bevorzuge er allerdings die Option Dieselzuschlag. «Dieser fällt wieder weg, sobald sich die Situation normalisiert.»

Auch bei der Mühle Transport AG aus Neftenbach ist ein Treibstoffzuschlag zurzeit ein Thema, wie Projektleiter Manuel Mühle auf Anfrage bestätigt. Durch einen temporären Zuschlag solle der Schaden in Grenzen gehalten werden. Eine pauschale Anpassung der Transportpreise ziehe man dagegen nicht in Betracht, sagt Mühle.
Kunden reagieren unterschiedlich
Die Reaktionen seiner Kundschaft auf den angekündigten Zuschlag seien unterschiedlich, sagt Mühle. «Einige Kunden haben Verständnis, weil sie selbst tanken müssen und dadurch sensibilisiert sind. Andere wiederum können den Entscheid überhaupt nicht verstehen.» Auch Schönbächler erhält von seinen Kundinnen und Kunden verschiedene Rückmeldungen: «Verständnis haben grundsätzlich alle, doch nicht alle sind einer Preisanpassung gegenüber aufgeschlossen.»
Dies vor allem, weil viele von ihnen die Preisanpassung ebenfalls an ihre Klienten weitergeben müssten und dies oft aufgrund bereits abgeschlossener Werkverträge nicht können oder nicht wollen. In solchen Fällen versuche man, Kompromisslösungen zu finden, sagt Schönbächler. «In einem Land wie der Schweiz mit einer konstruktiven Kompromissfähigkeit finden sich immer Lösungen.»
Bestehende Verträge erschweren Anpassungen
Willy Vogt, Geschäftsführer der Vogt Transport AG aus Kleinandelfingen, sieht vorerst von Preiserhöhungen oder Zuschlägen ab. Auch weil viele seiner Verträge längerfristig sind: «Abgeschlossene Verträge zu festen Bedingungen kann man nicht einfach so ändern.» Vogts Unternehmen ist auf den Transport von Milchprodukten spezialisiert. Es fungiert als Bindeglied zwischen der Mooh – einer Genossenschaft von Bauern – und den Molkereien.
«Zu hundert Prozent auf die Bauern abwälzen können und wollen wir das nicht.»
Diese Spezialisierung sei ein Vorteil, sagt Vogt. «Der Transport von Rohmilch braucht bestimmte Fahrzeuge und geschultes Personal. Dadurch können wir uns von der Konkurrenz abheben.» Ausserdem habe seine Firma gemeinsam mit dem Auftraggeber Mooh über die letzten Jahre in einen Fonds eingezahlt. Dieser ermögliche es ihm jetzt, die Preisentwicklung zumindest vorläufig etwas abzufedern.
«Aber der Druck steigt», sagt Vogt. Irgendwann müsse man eine Preisanpassung in Betracht ziehen. Für ihn sei aber auch klar: «Zu hundert Prozent auf die Bauern abwälzen können und wollen wir das nicht. Denn Bauern sind auch nicht auf Rosen gebettet.»
Zuerst Corona, dann Krieg
Fabio Knöpfel, Geschäftsführer von Knöpfel-Reisen, einem Bus- und Car-Unternehmen aus Dinhard, will seine Preise ebenfalls vorerst lieber noch nicht anheben. Allerdings aus einem anderen Grund. Denn als Reiseanbieter ist die Situation für Knöpfel doppelt schwierig. «Jetzt ist die Phase, in der nach zwei Jahren Corona das Geschäft wieder läuft», sagt Knöpfel. «Würden wir die Preise erhöhen, könnte dies Kundinnen und Kunden abschrecken.»

Bis zum Ende der Saison im Herbst will Knöpfel mit den bestehenden Preisen weitermachen. Verfestigten sich die Preise allerdings bis dahin auf einem höheren Niveau, müsse auch er die Preise anheben. «Denn der Dieselpreis geht letztlich direkt auf Kosten unserer Marge.»
Produktionsausfälle in der Ukraine
Der Dieselpreis ist aber nicht das Einzige, was den Transportunternehmen in der Region zurzeit Sorgen bereitet: «Uns beschäftigt momentan noch ein viel grösseres Problem: Die Lieferfristen für Ersatzteile sind extrem lang», sagt Vogt. Ersatzteile zu bekommen sei bereits während der Pandemie nicht immer leicht gewesen, doch seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine habe sich die Lage noch einmal dramatisch verschärft, bestätigt auch Mühle.
Besonders problematisch ist die Herstellung von LKW-Kabelsträngen, denn diese findet oft in der Ukraine statt. Kabelstränge sind gebündelte Drähte und Leitungen, die sich durchs Fahrzeug ziehen und so Signale übertragen. Ende März teilte der deutsche Nutzfahrzeughersteller MAN Truck & Bus mit, dass der Krieg «massive Versorgungslücken» bei Kabelsträngen zur Folge habe, weil Lieferanten an ihren ukrainischen Standorten «nicht oder nur sehr eingeschränkt» produzieren könnten.
Wie das Unternehmen schreibt, mussten die LKW-Werke in München und Krakau aufgrund der Lieferschwierigkeiten vorübergehend stillgelegt werden. An den Standorten Nürnberg, Salzberg und Wittlich komme es zu «signifikanten Ausfällen». «Damit drohen ein mehrwöchiger Ausfall der LKW-Produktion und eine deutliche Einschränkung der Fertigung im zweiten Quartal», heisst es in der Mitteilung.
Angst vor weiterer Verschärfung
Kritisch ist auch die Preisentwicklung von der flüssigen Harnstofflösung AdBlue, einem Stoff, der Dieselfahrzeugen zur Reduzierung der Stickoxidemissionen eingespritzt wird. Im März teilte der führende AdBlue-Produzent Yara mit, dass er aufgrund der Rekordpreise für Erdgas die Produktion der Lösung in Werken in Italien und Frankreich drosseln werde. Der deutsche Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) warnte daraufhin vor einer Preisexplosion. «Preiserhöhungen bei AdBlue, aber auch bei Reifen, Ersatzteilen oder Fahrzeugen sind besonders kritisch, weil diese nicht über den Dieselzuschlag weiterverrechnet werden können», sagt Schönbächler.
Wie es weitergeht, bleibt unklar. Komme es zu einem Gas- und Erdölembargo, könne sich die Situation derart verschärfen, dass das Transportgeschäft nicht mehr rentabel sei, glaubt Schönbächler. «Dann wird es spannend, wie die Versorgung der Schweiz funktioniert.»
Mühle hofft derweil darauf, dass sich die Preise bis im Herbst wieder normalisieren. «Und wenigstens geht es allen Transportunternehmen gleich. Das nimmt Druck», sagt Vogt. Denn für Kundinnen und Kunden gebe es letztlich gar keine Alternative.
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Fabienne Grimm ist Redaktorin im Ressort Region Winterthur und schreibt über Gemeindepolitik und Gesellschaftsthemen. Sie hat an der Universität Fribourg Zeitgeschichte studiert.
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