Spendenaktion in Neftenbach«Ich habe am Telefon schon Bombeneinschläge gehört»
Am Samstag sammelte Neftenbach Geld für die Ukraine. Auch eine ukrainische Ärztin war anwesend und beantwortete Fragen zur Situation im Kriegsgebiet.

Wenige Stunden bevor am Samstag in Winterthur mehrere Hundert Personen für den Frieden demonstrierten, fand in Neftenbach auf dem Gemeindehausplatz eine Spendenaktion zugunsten der Ukraine statt. Drei mit Kaffee und Kuchen bedeckte Festtische wurde aufgestellt, darauf stand ein Glas, das um 10 Uhr bereits gut mit Geldnoten in verschiedenen Farben gefüllt war.
«Insgesamt sind schon 30 bis 40 Leute vorbeigekommen und haben Kuchen vorbeigebracht oder gespendet», sagt Michael Übersax, der die Aktion organisiert hat. Das gesammelte Geld komme vollumfänglich der Glückskette zu. Die Idee sei ihm relativ spontan gekommen. «Ich wollte angesichts der aktuellen Lage etwas unternehmen.» Da am Samstag auch der wöchentliche Markt auf dem Gemeindehausplatz aus der Winterpause zurückgekehrt sei, sei das eine gute Gelegenheit gewesen.
Das Wetter spielte mit. Die Anwesenden genossen die Sonne und bedienten sich mit Kaffee und Kuchen. Immer wieder gingen einzelne Personen zum Bancomaten neben dem Gemeindehaus, um mit einer Gabe für den Spendentopf wieder an den Tisch zurückzukehren. Andere nutzten die Gelegenheit und sprachen mit Elena Lüscher, einer ukrainischstämmigen Ärztin und Arbeitskollegin von Michael Übersax.
Familie im Risikogebiet
Lüschers Familie kommt aus Saporischschja, der Stadt mit dem leistungsstärksten Atomkraftwerk Europas. «Als Kind bin ich als Tänzerin bei der Eröffnung des Kraftwerks aufgetreten», erinnert sie sich. Ihre eigenen Kinder sind in der Schweiz aufgewachsen, ihre Eltern wohnen aber nach wie vor in der Ukraine. «Als die ukrainischen Kraftwerke okkupiert wurden, mussten sie sich in ihre Bunker zurückziehen.» Wegen des grossen AKW sei Saporischschja eine Risikozone. «Wenn die Stadt erneut bombardiert wird, muss das Kraftwerk wohl ausgeschaltet werden.»
Die Situation sei derzeit sehr angespannt. «Ich habe am Telefon schon Bombeneinschläge gehört, wenn ich meine Eltern angerufen habe.» Sie sei aber froh, dass sie überhaupt noch Kontakt mit ihren Eltern habe. «Einige Kollegen von mir haben plötzlich nichts mehr von ihren Verwandten gehört.»
Der Krieg sei zwar für viele Ukrainer überraschend gekommen, habe sich aber in den letzten Monaten bereits abgezeichnet. «Ich habe meinen Eltern bereits Ende Januar angeboten, in die Schweiz zu kommen, aber das wollten sie nicht.» Auch weiterhin hätten sie wie viele andere Einheimische Angst davor, die Ukraine zu verlassen. Sie seien stolz auf ihr Land und würden es verteidigen wollen.
Lüscher hat sich selbst schon überlegt, in die Ukraine zu fahren, um als Ärztin vor Ort auszuhelfen: «Aber ich habe Kinder hier in der Schweiz und kann diese nicht einfach allein lassen.» Sie habe sich jetzt bei der Firma Medgate gemeldet. Diese suche derzeit Ärztinnen, die ukrainisch sprechen. «Um den verletzten Flüchtlingen hier zu helfen», erklärt sie. Von der in der Schweiz vorherrschenden Solidarität für ihr Herkunftsland ist Lüscher überwältigt. «Auch privat haben mich viele Leute gefragt, wie sie die Betroffenen unterstützen können.»
4200 Franken gesammelt
Die beste Möglichkeit seien derzeit Geldspenden. In Neftenbach kamen am Samstag insgesamt 4200 Franken zusammen, wie Übersax am Sonntag auf Facebook verkündete. Zu den Spendern gehört auch der abtretende Neftenbacher Sozialvorsteher Urs Wuffli, der für seine Flüchtlingspolitik in den vergangenen Jahren überregionale Bekanntheit erlangte. In einem «Landbote»-Interview erklärte er neulich, was die aktuelle Flüchtlingswelle von derjenigen im Jahr 2015 unterscheidet.
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