Berlin – Genf – AlbisgüetliIgnazio Cassis’ Auftritt auf der grossen Weltbühne
Auf einen freundlichen Antrittsbesuch in Berlin folgt für den Schweizer Bundespräsidenten ein von Hoffnung auf Frieden geleitetes Treffen mit den Aussenministern der USA und Russlands.

Foto: Gian Ehrenzeller (Keystone)
Weltpolitisch im Fokus steht das Krisentreffen vom Freitag in Genf. Dieses war nicht von langer Hand geplant: Erst am Dienstag hatten US-Aussenminister Antony Blinken und der russische Aussenminister Sergei Lawrow beschlossen, sich in der Schweiz zu treffen.
Am Donnerstag gab Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis auf Twitter bekannt, er werde die beiden zu bilateralen Gesprächen treffen. Er sei froh, dass Genf Raum für Dialog bieten könne, schrieb Cassis. Eine direkte Vermittlerrolle hat die Schweiz jedoch nicht: Blinken und Lawrow werden sich bilateral treffen.
Erst anschliessend wird Cassis mit beiden je rund eine halbe Stunde sprechen, wie das Aussendepartement (EDA) auf Anfrage mitteilte. Neben der Sicherheitslage und den bilateralen Beziehungen soll dabei auch thematisiert werden, was die Schweiz innerhalb der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Lösung des Ukraine-Konflikts beitragen könnte.
Vergangene Woche hatten sich bereits die Stellvertreter der beiden Aussenminister in Genf getroffen. Sie konnten jedoch keine Entspannung der Krise um Russlands Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze erreichen.
Zuletzt stand Genf vergangenen Sommer im Rampenlicht, als sich dort der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Joe Biden zu einem Gipfeltreffen einfanden. Zugegen war auch der damalige Bundespräsident Guy Parmelin. Schauplatz eines historischen US-russischen Gipfels war Genf im Jahr 1985, als US-Präsident Ronald Reagan zum ersten Mal mit dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow zusammenkam.
Verzicht auf Grenzschliessung
Den Kurznachrichtendienst Twitter nutzte Cassis auch für erste Berichte nach seinem Antrittsbesuch als Bundespräsident in Berlin, wo er am Donnerstag seinen deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier traf. Danach folgten Begegnungen mit Kanzler Olaf Scholz und Aussenministerin Annalena Baerbock. Nach dem Treffen mit dem deutschen Staatsoberhaupt schrieb Cassis von einem freundlichen Empfang in der deutschen Hauptstadt.
Cassis sagte zu Steinmeier, der Handel der Schweiz allein mit Baden-Württemberg habe das gleiche Volumen wie der Handel mit China. Unter den Präsidenten herrschte Einigkeit, dass die Corona-Pandemie nicht zu Grenzschliessungen führen dürfe.
Ein gutes Klima herrschte offenbar auch beim Treffen zwischen Cassis und der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock, wie auf informellem Weg zu erfahren war. Baerbock lege grossen Wert auf ein geregeltes Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU. Dasselbe tat Kanzler Scholz – namentlich mit Blick auf die Wirtschaft.
Offenbar wurden in freundschaftlichem Klima von deutscher Seite konkrete Möglichkeiten erwähnt, wie das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU gestärkt werden könnte. Wie diese genau aussehen sollen, war am Donnerstagabend nicht zu erfahren.
Aussenministerin Baerbock twitterte nach dem Treffen mit Cassis, für die Menschen in den Grenzregionen wolle man die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Beziehung EU - Schweiz weiter stärken.
Deutsche Industrie fordert Lösung
Am Mittwoch befeuerte der Bundesverband der deutschen Industrie das Thema Schweiz - EU. Der Politik legte der wichtige Verband «eine zügige Wiederaufnahme konstruktiver Gespräche nach dem Nichtzustandekommen des institutionellen Rahmenabkommens im vergangenen Jahr» ans Herz.
Die Schweiz bleibe für die europäische Industrie ein wichtiger Standort. Bereits komme es zu erheblichen wirtschaftlichen Störungen im Handel zwischen der EU und der Schweiz, besonders bei Medizinprodukten und in absehbarer Zeit auch beim Maschinenbau. «Erschwerte Produktzulassungen, Einschränkungen in der Forschungszusammenarbeit und Ineffizienzen in den Energiemärkten schaden Unternehmen und Beschäftigten auf beiden Seiten», schreibt der deutsche Industrieverband.
Das gedrängte Programm von Cassis findet am Freitagabend seinen Abschluss an der traditionellen Albisgüetli-Tagung der Zürcher SVP, wo der Bundespräsident direkt aus Genf kommend seine Ansprache halten wird.
Benjamin Gafner ist seit dem Jahr 2000 Bundeshausredaktor. Schwerpunkte seiner Berichterstattung betreffen sicherheits- und migrationspolitische Themen.
Mehr InfosCharlotte Walser gehört seit 2021 zum Bundeshausteam der Redaktion Tamedia. Die promovierte Philosophin arbeitet seit 1995 als Journalistin. Von 2010 bis 2020 berichtete sie für die Nachrichtenagentur Keystone-SDA aus dem Bundeshaus. Weitere Stationen waren InfoSüd und die Uno-Flüchtlingsorganisation UNHCR.
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