Kolumne «Lomo»Kerzenromantik
Wo verstaut der Filmheld nur die vielen Kerzen, die er für seine Geliebte anzündet?, fragt sich der «Landbote»-Kolumnist. Und noch etwas anderes ist ihm unklar.

Beim Abräumen des Weihnachtsbaums – ja, ich weiss, ich war spät dran, ich war schliesslich vollauf damit beschäftigt, Zivilschutzhosen zu suchen, Sie erinnern sich –, also, wie gesagt, beim Abräumen des Weihnachtsbaums war ich wieder froh, dass wir schon seit ein paar Jahren dazu übergegangen sind, unsere Tanne jeweils mit glühenden Lämpchen anstelle brennender Kerzen zu erleuchten. Die Ab- und Aufwicklung der Lichtgirlande ist nämlich nicht zuletzt viel bequemer als das mühselige Wachskrümel-aus-verbogenen-Kerzenhaltern-Klauben.
Doch trotz oder gerade wegen der fehlenden Kerzen bin ich dann doch ins Sinnieren gekommen, und zwar musste ich an die Kerzen in romantischen Filmen denken. Ist Ihnen das auch schon aufgefallen: Wenn in so einem Film der Held die Heldin zu einem erotischen Dinner bei sich zu Hause einlädt, dann stehen dort immer überall Kerzen rum. Auf dem Tisch, auf der Kommode, auf dem Fenstersims, vor der Balkontür, in Holzschalen und um Holzschalen herum und dazu noch auf jedem freien Quadratdezimeter des Parkettbodens.
Wie die Frau wohl reagiert, wenn sie mal tagsüber vorbeikommt und einen dieser Schränke öffnet?
Und ich frage mich: Wo verstaut der Typ all die Kerzen den Rest der Woche, wenn grad kein erotisches Dinner ansteht? Der braucht ja zwei ganze Wohnzimmerschränke nur für die Kerzen. Und jetzt stellen wir uns mal vor, wie die Frau wohl reagiert, wenn sie mal tagsüber vorbeikommt und einen dieser Schränke öffnet. Ich weiss nicht, ob ich es so wahnsinnig romantisch oder nicht eher ziemlich unheimlich fände bei einem Kerl in der Wohnung, der den ganzen Schrank nur mit Kerzen gefüllt hat.
Und noch etwas hab ich mich gefragt: Was passiert eigentlich mit den Kerzen, wenn die beiden endlich miteinander ins Bett gehen? Geht er dann vorher noch alle Kerzen löschen? Das würde ja so lange dauern, dass in der Zwischenzeit zusammen mit den Kerzen bestimmt auch die Libido erloschen wäre. Oder lässt er die Kerzen brennen und überlegt dann während des Liebesakts die ganze Zeit, ob er jetzt grad die Wohnung abfackelt?
So oder so: Es ist kein Wunder, zeigen uns die romantischen Filme nie, wie nach dem Dinner die Nacht weitergeht – sie verzichten drauf nicht etwa aus Prüderie, sondern weil mit so vielen brennenden Kerzen der Rest des Abends entweder sehr langweilig oder versicherungstechnisch kostspielig wird, aber auf jeden Fall nicht romantisch.
Die Kolumne «Lomo» von Filmwissenschaftler Johannes Binotto erscheint jeden Mittwoch in der Printausgabe des «Landboten».
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