Kriegsverbrecher Obama und die Lückenpresse
Der Populärhistoriker Daniele Ganser referierte am Freitag in Winterthur. Seine Kritik an der amerikanischen Regierung kam beim Publikum gut an.

«Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede Androhung oder Anwendung von Gewalt.» Diesen Satz wiederholt Daniele Ganser mantraartig an seinem Auftritt am Freitag im Kirchgemeindehaus Liebestrasse. Das «Gewaltverbot» aus der UNO-Charta stellt der Basler Historiker in den Mittelpunkt seines Referats zu «Weltpolitik der USA gestern und heute». In der ersten Hälfte des Abends nennt er Beispiele von völkerrechtlichen Verstössen auf von gescheiterten Invasion in der Schweinebucht 1961 über die Kriege in Afghanistan und Irak bis zu den aktuellen Konflikten in der Ukraine und in Syrien.
Hinter all diesen Militäreinsätzen, sieht Ganser die Vereinigten Staaten als Drahtzieher. Diese würden jedoch ihre wahren Absichten verschleiern, indem sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gezielt von den eigenen Machtansprüchen auf die Terroristenbekämpfung umlenken. Als Beleg zählt Ganser Flugzeugträger und Militärbasen weltweit und vergleicht Rüstungsetats.
Das Imperium und der Vasallensataat
Berühmt wurde Ganser mit Aussagen zu den Terroranschlägen vom 11. September, die ihm den Ruf eines Verschwörungstheoretikers eingebracht haben. Beim den 750 Zuschauerinnen und Zuschauern kommen die provokativen Thesen gut an. Der redegewandte und humorvolle Populärwissenschaftler bringt sein Publikum mit Asterix-Vergleichen zum Lachen und regt es mit Gedankenspielen zum Nachdenken an. Sein Ziel ist es, die Menschen von ihren gedanklichen Barrieren befreien. «Lasst Euch in eurem Denken und Fühlen nie einschränken.»
So bezeichnet er die USA als Imperium, Deutschland als Vasallenstaat, Bush, die Clintons und Obama als Kriegsverbrecher – und erntet damit spontanen Applaus. Ganser kritisiert die Doppelmoral des Westens, beschönigende Begriffe wie «Supermacht» oder «humanitäre Kriege» und das Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat.
Verantwortlich dafür, dass viele seine Sichtweise nicht kennen, sind nach Ganser die «Massenmedien», die versteckte «Kriegspropaganda» betreiben, indem sie kritische Aspekte weglassen. Um seinen Vorwurf gegenüber der «Lückenpresse» zu untermauern, zieht er einen «Mediennavigator» von einer «Swiss Propaganda Research»-Webseite hinzu. Die anonymen Autoren beurteilen darin die deutschsprachigen Medien nach nicht ersichtlichen Kriterien bezüglich ihrer Position gegenüber der NATO und bezeichnen die grossen Medienkonzerne als Propagandainstrumente in einem transatlantischen Netzwerk.
Schliesslich führen Gansers Ausführungen zu den Anschlägen vom 11. September 2001. Der Referent sieht sich als Teil einer «Friedensbewegung», welche die offizielle Erklärung zu 9/11 nicht akzeptiert und Machenschaften der amerikanischen Regierung vermutet. 2006 veröffentlichte Ganser einen Zeitungsartikel mit seinen Thesen. «Seither habe ich Probleme und werde als Verschwörungstheoretiker diffamiert», klagt er. «Doch ich beuge mich nicht.»
Aus Angst vor Anfeindungen möchten auch die beiden Winterthurer Privatpersonen, die den Anlass organisiert haben, anonym bleiben. Am Schluss des Abends scheinen alle Fäden zusammenzulaufen und irgendwie miteinander verknüpft zu sein. «Viele Menschen sind noch in einer Art Tiefschlaf», erklärt Ganser prophetisch und appelliert an das Gemeinschaftsgefühl der «erweckten» Anwesenden: «Sie sehen aber jetzt, Sie sind nicht allein.»
Schwarz-weisses Weltbild
Ironischerweise wendet Ganser genau die gleichen Propagandamethoden an, die er kritisiert. So berechtigt seine Kritik am US-Imperium sein mag, seine Argumentation ist selektiv und lückenhaft. So erwähnt er beispielsweise nicht, dass es in der UNO-Charta auch Ausnahmen vom Gewaltverbot gibt, die nach Ruanda und Srebrenica neue Bedeutung erlangten für die Verhinderung von Genoziden, oder dass die globale Terrorbekämpfung bereits 1992 begann und auf Resolutionen des Sicherheitsrates basiert, die einstimmig verabschiedet wurden. Als Kronzeugen dienen ihm häufig Gleichgesinnte. Obwohl er immer wieder seine Rolle als Historiker betont, ist von der wissenschaftlichen Diskussion zu seinen Themen nichts zu spüren.
Er sagt zwar, man solle sich eine unabhängige Meinung bilden, aber während er spricht sind auf der Leinwand Fotos von gefesselten Irakern, zerbombten syrischen Städten oder Angela Merkel in Uniform zu sehen. Anstatt Gewalt strikt abzulehnen, vermittelt Ganser ein stark vereinfachtes Weltbild, in dem die Rollen der Guten und der Bösen klar verteilt sind. Anders lässt sich kaum erklären, dass er nur die imperiale Politik der NATO-Staaten kritisiert wird und im Fall des Syrienkriegs die Bombardements Putins explizit rechtfertigt, weil dieser mit dem diktatorischen Präsident Assad zusammenarbeitet: «Wenn eine Regierung einen einlädt, darf man das.» Ob solche Schwarz-weiss-Malerei zu einem besseren Verständnis der Welt und mehr Frieden beiträgt, ist fraglich.
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