«Mehr als eine Alibiübung»
Weinland. Bilanz nach einem Jahr Regionalkonferenz: Die Partizipation bei der Suche nach einem Atomendlager ist aufwendig, hat aber auch Stärken. Dies finden selbst kritische Köpfe.
Eigentlich wäre die Frist in einigen Tagen abgelaufen: Neun Monate gab das Bundesamt für Energie (BfE) den Regionalkonferenzen ursprünglich Zeit, um die Vorschläge der Nagra zu bewerten. Diese hatte Mitte Januar in Bern Standortideen für die Oberflächenanlagen des Atomendlagers präsentiert, und Vertreter des BfE zeigten sich optimistisch, was die Einhaltung des ehrgeizigen Zeitplans betraf. «In den Regionen ist viel Knowhow vorhanden», hiess es.
Doch es kam anders. Das BfE musste der Weinländer Regionalkonferenz unlängst mehr Zeit einräumen, um ihre Stellungnahme zu verfassen. Als neuer Termin gilt jetzt Ende April 2013, wie Konferenzpräsident Jürg Grau sagt. Grund: Die Regionalkonferenz hatte mehr Zeit verlangt; auch die Diskussion um die Beurteilungskriterien spielte hinein, etwa die Rolle des Gewässerschutzes. Weil dem Anliegen bisher zu wenig Rechnung getragen worden sei, lehnte der Regierungsrat alle Standortvorschläge für das «Tor zum Endlager» im Kanton Zürich ab («Landbote» vom 13. Juli). Drei davon betreffen die Gemeinde Marthalen, und alle liegen im Gewässerschutzbereich Au.
Genauer Filter
Momentan justiert die für die Oberflächenanlagen zuständige Fachgruppe der Regionalkonferenz ihren «Suchfilter», wie Leiter Thomas Lacher sagt. Anhand des Rasters filtert die Nagra bis Ende Jahr neue «Potenzialräume» heraus. Die Fachgruppe masse sich nicht an, selber Alternativräume vorzuschlagen, so Lacher. Offen ist, wie viele Flecken im Weinland übrig bleiben, wenn Gewässer- oder Naturschutz als Ausschlusskriterien gelten.
Das Beispiel mit der Anpassung des Fahrplans beweist für Konferenzpräsident Grau, dass die Regionalkonferenz und der Regierungsrat Einfluss auf das Partizipationsverfahren nehmen können. «Man sieht, dass die Bedenken und Ratschläge ernst genommen werden», sagt er. Grau zieht allgemein eine positive Bilanz unter das erste Jahr regionale Partizipation, die im September 2011 begann. Den Regionen bleibe doch mehr als die Wahl der Farbe für die Lagertüre, wie Kritiker fürchteten. Die Leute in den Fachgruppen seien sehr motiviert, obwohl der Arbeitsaufwand gerade für Laien sehr gross und wohl unterschätzt worden sei.
Ähnlich tönt es bei Fachgruppenleiter Thomas Lacher. «Das Verfahren ist ein Stück weit ein Kraftakt», sagt er. Aber die Fachgruppe komme mit der Arbeit gut vorwärts, auch wenn die Interessen, Hintergründe und politischen Erfahrungen der Mitglieder sehr unterschiedlich seien. Lacher kann auch über die Unterstützung durch BfE, Kanton oder Nagra nicht klagen. Die zuständigen Stellen seien konstruktiv. Sie beantworteten speditiv Fragen und sendeten Vertreter an Sitzungen, wann immer dies gewünscht werde.
Auch Martin Ott, Vorstandsmitglied von «Klar!Schweiz» und Mitglied der Regionalkonferenz, kann dem Prozess Positives abgewinnen. Das Verfahren sei zwar nicht «ergebnisoffen», aber habe durchaus Stärken. Durch das Zusammenspannen aller politischen Kreise erhalte die Region ein gewisses Gewicht. Doch für den atomkritischen Ott ist auch klar, dass die Bewährungsprobe erst noch komme.
«Der Aufwand ist gigantisch, macht aber Sinn», findet SP-Kantonsrat Markus Späth, der mit viel Skepsis in den Prozess stieg. «Das Verfahren ist mehr als eine Alibiübung.» Die Konferenz habe bewiesen, dass sie sich den Fahrplan nicht diktieren lasse. Zudem lasse sie sich bei den Oberflächenstandorten nicht den Schwarzen Peter zuspielen. Statt konkrete Standorte vorzuschlagen, definiere sie Auswahlkriterien. Was Späth ebenfalls freut: Man spüre im Weinland immer stärker eine kon- struktive, aber kritische Stimmung.
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