Ein Start-up gegen Food-WasteMit Wut gegen die Verschwendung
In der Schweiz landen 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall – pro Jahr. Einen Teil davon möchten die Gründerinnen des Start-ups Hängry Foods retten, indem sie daraus Fertiggerichte kochen.

Sophia Graupner und Ximena Franco sind wütend – auf Englisch «angry». Denn die angehenden Lebensmitteltechnologinnen befassen sich intensiv mit Food-Waste, sprich der Verschwendung von geniessbaren Lebensmitteln. «Es ist einfach unglaublich, wie viele Tonnen perfekte Esswaren entsorgt werden», sagt Graupner.
Um etwas gegen diese Verschwendung zu tun, haben sie im Frühling ihr Start-up Hängry Foods gegründet. Sie möchten aus Lebensmitteln, die sonst im Abfall landen würden, Fertiggerichte produzieren. Ihre Idee reichten die zwei Studentinnen bei der Start-up Challenge 2022 der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ein – und gewannen den ersten Preis. Dieser enthält unter anderem einen Gratisarbeitsplatz im Start-up Inkubator Runway im Technopark in Winterthur. Im Juli haben die beiden Zürcherinnen dort ihren Büroplatz bezogen und planen die nächsten Schritte ihres jungen Unternehmens.
Längere Haltbarkeit

Derzeit erhalten die Unternehmerinnen überschüssige Lebensmittel aus kleineren Geschäften oder aus der Lebensmittelindustrie, bei der zum Beispiel Reststoffe anfallen, die bisher nicht verarbeitet werden. Zu Fertiggerichten verkocht, sind diese veredelt oder länger haltbar und landen damit nicht im Abfall. «Im Moment wissen wir nie, was wir bekommen», sagt Ximena Franco. «Da müssen wir jetzt erst mal herausfinden, was anfallen könnte und was wir jeweils daraus machen können.» Die Lebensmittel werden per Lastenvelo bei den Geschäften abgeholt und Esswaren, welche die Köchinnen nicht brauchen können, geben sie an andere Lebensmittelretter weiter. «Frische Salate können wir zum Beispiel nicht verarbeiten, weil sie zu schnell verderben», sagt Graupner. «Wir schmeissen aber nichts weg.»
Seit Juli stehen die Jungunternehmerinnen einmal pro Woche in Zürich in einer Produktionsküche. Sie testen Rezepte und überlegen, wie sie welche Lebensmittel verarbeiten könnten. «Später möchten wir gewissen Standardmenüs in grossen Mengen industriell produzieren», sagt Franco. Aber bis dahin ist noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Ziel ist, dass die Fertiggerichte am Ende wieder in den Geschäften verkauft werden, aus denen die überschüssigen Lebensmittel gekommen sind. «So schliesst sich ein Kreislauf», sagt Sophia Graupner. Die Logistik sei derzeit die grösste Herausforderung. «Aber wir lernen jeden Tag dazu.»
Fertiggerichte im Trend
Von der Gastro- und Lebensmittelbranche haben die beiden Gründerinnen viel Ahnung. Ximena Franco (32) besuchte einst eine Kochschule in New York und Sophia Graupner (23) machte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Küchen- und Servicemanagerin. Bei einem Praktikum in einer Brauerei erhielt sie einen Einblick in die Lebensmittelindustrie und war fasziniert davon. Sie entschied sich für das Studium der Lebensmitteltechnologie der ZHAW und traf dort auf Ximena Franco. «Wir können super zusammenarbeiten, und uns war schon länger klar, dass wir zusammen ein Unternehmen gründen möchten», sagt Graupner. Da sie oft viel um die Ohren und damit wenig Zeit zum Kochen haben, greifen sie gern mal zu Fertiggerichten. «Aber die Auswahl an nachhaltigen Produkten ist da sehr klein, das hat uns immer gestört», sagt Graupner. So kam ihnen die Idee, diese Lücke zu schliessen.
Convenience-Food liegt im Trend, und die Gründerinnen sind mit ihren Fertigmenüs in einem Wachstumsmarkt unterwegs. Laut Ernährungsexperten gehören Convenience-Food und gesundes Essen to go zu den zehn grössten Ernährungstrends der kommenden Jahre, wie der Trendreport des deutschen Bundeszentrums für Ernährung aufzeigt. «Und da wollen wir mitwachsen», sagt Graupner. Derzeit sind die Jungunternehmerinnen auf der Suche nach einem Seed-Investor oder einem Business-Angel, der ihr Unternehmen weiterbringt. Mit ihrem Konzept für Hängry Foods und ihrem Podcast «Foodtäch Insights», der einen Einblick in die Lebensmittelindustrie gibt und über Food-Waste aufklärt, haben sie schon Förderpreise für Nachhaltigkeit gewonnen. «Das hat uns wieder ein bisschen Kapital gegeben», sagt Graupner. Aber schon bald müssen sie ihr Team vergrössern, um die anfallenden Aufgaben im schnell wachsenden Start-up bewältigen zu können.
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