Calvin Klein wird 80Mode unter der Gürtellinie
Der Amerikaner ist kein modisches Genie, aber ein genialer Vermarkter. Zu seinem 80. Geburtstag eine Verneigung vor dem grossen Verführer.

Kürzlich machte eine Anekdote über Calvin Klein auf Twitter die Runde, die dort als «Fun Fact» annonciert wurde. Der amerikanische Designer soll für seinen Koch stets eine Pantone-Farbkarte in der Küche platziert haben, damit der seinen Kaffee immer in der exakt gleichen Nuance zubereitete.
Leider ist nicht bekannt, um welchen Pantone-Ton es sich handelt, sonst würden jetzt wahrscheinlich einige Menschen die Starbucks-Mitarbeiter mit einer «CK Latte»-Bestellung verwirren. Jedenfalls steckt in diesem Detail natürlich viel mehr als nur unnützes Wissen, nämlich die tiefere Erkenntnis, dass eben nichts über klare Ansagen geht und genau das womöglich zu den grössten Stärken des Designers zählt, der an diesem Samstag seinen 80. Geburtstag feiert.
«Du bist sexy»
Wer gerade angestrengt überlegt, welcher berühmte Entwurf (Unterwäsche zählt nicht) einem aus seiner aktiven Zeit bis Ende der Neunziger einfällt – Calvin Klein hat keinen New Look wie Dior hervorgebracht, keinen Le Smoking wie Yves Saint Laurent, keine ikonische Kastenjacke wie Coco Chanel. Doch seine Marke transportierte einen ganz bestimmten Look, und welcher das sein sollte, hat er ähnlich unverschwurbelt mal in einem Interview formuliert: «Du bist sophisticated. Du bist reich. Du bist cool. Du bist jung, amüsant und sexy.» Wobei das mit dem «sexy» bekanntlich besonders wichtig war.
Der Spot blieb natürlich keine 24 Stunden auf Sendung, dafür landete der Skandal auf der Titelseite der «New York Times», die bekannte Journalistin und Feministin Gloria Steinem empörte sich, so etwas fördere die Gewalt gegen Frauen. In jedem Fall erhöhten sich schlagartig die Umsätze der neuen Calvins: 400’000 Paar pro Woche verkaufte die Marke in den Wochen danach und löste einen Boom in Designerjeans aus. Die Idee dazu soll übrigens – noch mal Fun Fact – in der legendären New Yorker Disco Studio 54 entstanden sein, wo Klein damals regelmässig mit Leuten wie Andy Warhol, Bianca Jagger oder dem Model Iman verkehrte.
Auch die Unterwäsche-Werbung von 1992 mit dem damals noch sehr breitbeinigen Marky Mark Wahlberg und einer schüchternen Kate Moss sorgte verlässlich für einen Eklat. Wahlberg fasste sich im Spot deutlich in den Schritt, Moss war oben ohne. Der Marketingerfolg lässt sich vierzig Jahre später immer noch überall auf der Welt an bedruckten Gummibündchen ablesen. Kleins Tochter Marci klagte einmal, wann immer sie mit einem Mann ins Bett gehe, begegne ihr der Name ihres Vaters auf der Unterwäsche. Das: eher nicht sexy.
Das Haus seines späteren Konkurrenten Ralph Lauren lag nur drei Strassen entfernt, ästhetisch jedoch trennten die beiden Welten.
Umso rätselhafter eigentlich, dass ausgerechnet seine Lebensgeschichte in der Flut von Designer-Dokumentationen («Dior and I», Martin Margiela, Dries van Noten, Alexander McQueen) und Biopics («Halston», «House of Gucci», «Yves Saint Laurent») der letzten Jahre noch nicht ausgeschlachtet wurde.
Dabei gäbe es durchaus noch ein bisschen mehr zu erzählen von diesem Calvin Richard Klein, der in der Bronx als Sohn ungarisch-jüdischer Einwanderer aufwuchs. Das Haus seines späteren Konkurrenten Ralph Lauren lag nur drei Strassen entfernt, ästhetisch jedoch trennten die beiden Welten. Ralph habe sich immer verkleidet und diese englische Fantasie-Ästhetik erschaffen, fand Klein, er selbst dagegen wolle «on the edge» sein, den Zeitgeist herausfordern.
Der erste Popstar der Modewelt
Nach dem Studium am Fashion Institute of Technology bekam er einen Job als Designer bei einer Mantelfirma, aber Klein machte schon damals lieber selbst die Ansagen. Also gründete er 1968 gemeinsam mit seinem Kindheitsfreund Barry Schwartz als Businesspartner Calvin Klein Inc., weil der Name nun mal besser klang. Und weil der New Yorker Beau obendrein besser aussah, wurde er auch gleich das Aushängeschild der Marke. «Die Leute interessiert die Person dahinter», wie Klein richtig vermutete.
Trotzdem war die Marke in den Achtzigern so erfolgreich, dass «to calvinize» ein eigenständiges Verb wurde und sie als lustige Referenz in «Zurück in die Zukunft» auftauchte: Als Michael J. Fox im Jahr 1955 landet, wird er erst mal nur Calvin Klein genannt – weil das schliesslich auf seinen Unterhosen gestickt steht. «CK» war der erste richtige Popstar der Modewelt.

Er buchte Kate Moss für sein Parfum «Obsession», als die anderen Labels noch vollbusige Supermodels fotografierten, und beschäftigte sie als Fitmodel für seine Kollektionen. Männermodels entdeckte er manchmal aus dem fahrenden Auto heraus auf der Strasse.«Ich erinnere mich noch, wie ich bei CK One dachte: ‹Was für ein Pech! Sonst ist die Calvin-Klein-Werbung immer so toll, nur bei deinem Duft machen sie etwas total Billiges›», erzählt der damals für die Kreation verantwortliche Parfumeur Alberto Morillas. Im Spot quatschten, tanzten und knutschten junge wie alte Leute, am Schluss haucht Kate Moss im Minirock: «CK One, the only one.»
«Aber ich lag total falsch», sagt Morillas. «Der Duft schlug alle Erwartungen. Innerhalb von sechs Monaten verkaufte er sich eine Million Mal.» Karl Lagerfeld machte ihm einmal das zweifelhafte Kompliment, sein grösstes Talent liege im Marketing. Klein konterte: «Es wäre ja bedauerlich, wenn sich kein Mensch für die Dinge interessieren würde, die wir hier herstellen.»
Erst Ende der Neunzigerjahre riss die Erfolgssträhne langsam ab. 2002 verkaufte er seine Firma für rückblickend dürftige 430 Millionen Dollar an den Konzern Phillips Van Heusen (PVH). Auch die Marke Calvin Klein erreichte nie wieder den gleichen Status. Calvin Klein selbst gibt schon lange keine Interviews mehr. Aber dass seine Marke jetzt tatsächlich nur noch als Logo-Shirt-, Unterwäsche- und Parfum-Imperium wahrgenommen wird, dürfte ihm nicht gefallen. Weil man darüber zu leicht vergisst, was sein eigentliches Vermächtnis ist: Der Amerikaner hat die Mode in gewisser Weise von ihrer Stofflichkeit befreit. Mit ihm ging es nicht mehr nur darum, was man trägt, sondern vor allem darum, wie man es trägt. Attitüde ist alles. Und zwar mit Ansage.
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