angerichtet Genuss unter Genossen
von CHRISTIAN GURTNER
Der rote Wohnblock am Eulachpark ist ein Genossenschaftsgebäude, und eine Genossenschaft ist auch das vor gut einem Monat eröffnete Restaurant an der Ecke des Hauses. Wir setzen uns an einen der Holztische und stellen fest: Im «Mehrgenerationenhaus» essen tatsächlich mehrere Generationen zu Mittag. Zwei grössere Familien sind hier, am Nebentisch sitzen Werktätige. Genossenschaftlich ist die Ausstattung: Zwar modern und sicher nicht urchig, aber mit blanken Bierdeckeln – das Haus ist laut Selbstdeklaration «werbefrei».
Keine Gewinnmaximierung in diesem Restaurant? Offenbar nicht, denn das verlangte Mineralwasser ohne Kohlensäure ist nicht erhältlich und wird durch Leitungswasser ersetzt. Wir bestellen das Fleischmenü und das vegane Menü (immer donnerstags, sonst vegetarisch). Anderes bleibt uns kaum übrig – es sind die einzigen Menüs auf der Karte. Abends gebe es mehrere fleischhaltige und -lose Menüs, sagt der Kellner, zudem arbeite man an der Einführung eines immer verfügbaren «Arbeitermenüs», wohl Ravioli.
Arbeiterpreise bietet das biologische Restaurant indessen nicht. Die Menüs kosten 21 und 23 Franken, dazu gehört aber Suppe oder Salat. Ich lerne dazu: Seitan ist ein Fleischersatz aus Weizeneiweiss und Quinoa heissen die getreideartigen Samen einer südamerikanischen Pflanze, die wie Couscous aussehen. An Gemüsesauce schmeckt beides ganz vorzüglich. Die Rindsplätzli mit hausgemachtem Sellerie-Kartoffelstock sind fein, der Begleiter vermisst aber eine gewisse Raffinesse.
Der Umgang unter (Nicht-)Ge- nossenschaftern ist locker, das Du ist selbstverständlich. Der bärtige Kellner mit Tuch um den Kopf erzählt gern von der Philosophie des Hauses. Er verdient gleich viel wie alle anderen, der Gewinn bleibt in der gemeinsamen Kasse. Da bestellt man doch gern noch ein Dessert, etwa den süssen Schokoladekuchen oder die schwere «Schoggi-Birnen-Bombe». Wir verzichten am Ende darauf, einen Anteilschein zu verlangen – obwohl wir uns sicher sind, dass die Worte Genuss und Genosse denselben Ursprung haben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch