Auf dem eigenen Kontinent unschlagbar
Wird eine europäische Mannschaft Weltmeister 2014, bricht sie ein bisher unangefochtenes Gesetz: Sie setzt sich in Lateinamerika durch. Bisher schaffte es nur Brasilien einmal, sich auf dem andern grossen Fussballkontinent zu behaupten.
Brasilien organisiert ab morgen Donnerstag die siebte WM auf lateinamerikanischem Boden, davon die fünfte in Südamerika. Und in all diesen Turnieren gab es 72 Spiele südamerikanischer gegen europäische Teams, 40 endeten mit Siegen der Südamerikaner, nur 18-mal gewannen Europäer. Noch krasser ist das Ergebnis aus den K.-o.-Runden mit 13 Siegen für die Südamerikaner und nur dreien für die Europäer; dazu endeten von vier interkontinentalen Begegnungen in der Vierer-Finalrunde 1950 drei mit einem südamerikanischen Sieg, eine mit einem Unentschieden.
Also erstaunt nicht, dass am Ende auch immer eine südamerikanische Mannschaft Weltmeister wurde: 1930 und 1950 Uruguay, 1962 und 1970 Brasilien, 1978 und 1986 Argentinien. Viermal kam immerhin der Finalist aus Europa: 1962 in Chile verlor die Tschechoslowakei gegen Brasilien 1:3, 1970 Italien gegen Brasilien 1:4, 1978 Holland gegen Argentinien 1:3 und 1986 Deutschland gegen Argentinien 2:3.
Peles grosses Team
Natürlich, fand die WM in Europa statt, so sah es für die Südamerikaner nicht viel besser aus. Mehrheitlich gab es gar rein europäische Endspiele: In zehn Turnieren standen sich siebenmal Europäer im Final gegenüber; zweimal schlugen Europäer Südamerikaner, und zwar 1990 die Deutschen Argentinien und 1998 die Franzosen Brasilien. Die grosse Ausnahme waren die Brasilianer, die 1958 in Schweden das Endspiel gegen die Gastgeber gewannen. Mit einer Mannschaft, die zum grössten Teil dieselbe war, die auch vier Jahre später in Chile gegen die Tschechoslowakei gewann.
Es war ein absolut überragendes Team um Pele, aber auch Garrincha, Didi, Zagalo und Vava in der Offensive. Mit dem Torhüter Gylmar, den Aussenverteidigern Djalma und Nilton dos Santos, die beide im vergangenen Jahr binnen vier Monaten starben, mit Zito im defensiven Mittelfeld. Brasilien war – nach Italien in den Jahren 1934 und 1938 – auch das einzige Land, das den Titel erfolgreich verteidigte.
Es wurde bisher also keineswegs zwingend Weltmeister, wer zu Hause spielen konnte. Denn das schafften bisher «nur» die Italiener 1934, die Engländer 1966, die Argentinier 1978 und die Franzosen 1998. Aber es setzte sich am Ende eben doch durch, wer sich auf «seinem» Kontinent heimisch fühlen konnte, wer das Klima, aber auch die allgemeinen Lebensgewohnheiten eher gewohnt war. Und es brauchte nicht mal ein für sie nicht besonders freundliches Klima zu sein, wie es die Europäer in den nächsten Wochen vorfinden. In Brasilien, wo es selbst in diesem Wintermonat vor allem in den nördlichen Landesteilen heiss und vor allem feucht ist. Und nirgends so wie in Manaus im Dschungel, wo die Schweizer gegen Honduras spielen und am Samstag ausgerechnet die wenig hitzeerprobten Engländer gegen Italien beginnen. Aber es ist schon bemerkenswert, wie wenig die Europäer erreichten, wenn es in Südamerika oder – wie 1970 und 1986 gleich zweimal – in der Hitze und Höhe Mexikos um WM-Ehren ging. Die drei K.-o.-Spiele mit europäischen Siegern waren diese: 1970 gewann Deutschland das Spiel um Platz 3 gegen Uruguay 1:0; 1986 gewann England den Achtelfinal gegen Paraguay 3:0, ehe es im Viertelfinal durch Diego Armando Maradonas «Hand Gottes» aus dem Turnier geworfen wurde. Und ebenfalls 1986 siegte Frankreich nach epischen 120 Viertelfinal-Minuten gegen Brasilien im Elfmeterschiessen.
Manchmal wars Zufall
Manchmal half ja auch der Zufall mit, dass die Südamerikaner das bessere Ende für sich behielten. 1962 in Chile beispielsweise gewannen die Brasilianer den Final nach einem Rückstand gegen die Tschechoslowaken erst, als deren zuvor so brillanter Torhüter William Schroif zu patzen begann. Mal liess er sich von einer Flanke in die nähere Ecke überraschen, mal liess er einen Ball vor des Gegners Füsse fallen. Zito und Vava profitierten.
Oder 1978 in Buenos Aires waren die Holländer in ihrem zweiten Final hintereinander gegen einen Gastgeber den Argentiniern genauso gleichwertig, wie sie es vier Jahre zuvor den Deutschen gewesen waren. Gegen die Deutschen hatten sie schliesslich 1:2 verloren durch einen Elfmeter, den Bernd Hölzenbein herausgeholt hatte; eine Aktion, die in Holland noch heute als klassische Schwalbe gilt. In Buenos Aires half der italienische Schiedsrichter Gonella, die Holländer im Zaum zu halten. Und ehe Mario Kempes mit seinen zwei Toren in der Verlängerung den Match entscheiden konnte, hatte Hollands Rob Rensenbrink Sekunden vor Schluss der regulären Spielzeit nur den Pfosten getroffen.
An Brasilien und Argentinien, als «Geheimfavoriten» auch noch Chile und Uruguay liegts nun, dem Gesetz Nachachtung zu schaffen, dass in Lateinamerika nur Lateinamerikaner gewinnen können. «Lateiner» sind allerdings auch Europas nominell stärkstes Team, ja die Nummer 1 der Welt: die Spanier. Die haben immerhin auf «neutralem» Terrain vor vier Jahren in Südafrika gewonnen – wie die Brasilianer 1994 in den USA und 2002 in Asien. Hansjörg Schifferli
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