Den Blick auf Rio 2016 gerichtet
Noch selten hat es in der Schweiz eine derartige Dichte an guten Bahnfahrern gegeben. Die Perspektiven für das Projekt Rio 2016 sind vielversprechend.
Es war ein mutiges Projekt, das Daniel Gisiger 2006 lancierte. Er wollte einen Schweizer Bahnvierer auf die Beine stellen, der sich für die Olympischen Spiele 2012 in London qualifizieren sollte. Dieses kühne Vorhaben scheiterte zwar, doch der Schweizer Bahn-Nationaltrainer ging den eingeschlagenen Weg weiter. Nun soll es für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro klappen.
Die Voraussetzungen für die erstmalige Olympiateilnahme eines Schweizer Bahnvierers seit 1980 in Moskau stehen gut. Der jahrelange Prozess hat eine positive Entwicklung hinter sich. Jüngster Beweis war der Schweizer Rekord über vier Kilometer, aufgestellt Anfang November in Guadalajara (Mex). Frank Pasche, Théry Schir, Silvan Dillier und Stefan Küng blieben mit einer Zeit von 3:58,269 über 2,5 Sekunden unter der alten Bestmarke – die Vier-Minuten-Mauer war geknackt.
Grosses Potenzial
«Daniel Gisiger macht einen guten Job», meint Urs Freuler, der 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau in der Verfolgung mit Hans Känel, Robert Dill-Bundi und Hans Ledermann den (allerdings enttäuschenden) achten Rang belegte. Freuler, heutiges OK-Mitglied der Sixday-Nights, attestiert den jungen Schweizer Bahnfahrern grosses Potenzial. «Es kann etwas Gutes heranwachsen.» Und offenbar herrsche in Gisigers Team ein guter Zusammenhalt, so wie es bei Freuler und seinen Kollegen damals war.
Auch Kurt Betschart, der neue sportliche Leiter der Sixday-Nights und früherer Seriensieger mit Bruno Risi, sieht Rio 2016 zuversichtlich entgegen. «Die Schweiz gehört derzeit zu den drei bis vier bis Topnationen, noch vor Australien und Deutschland.» Auch altersmässig ist die Schweiz gut dabei, sämtliche Fahrer sind im «besten Alter».
Dillier und Küng als Motoren
Gute Schweizer Bahnfahrer hat es immer wieder gegeben: Olympiasieger Robert Dill-Bundi, Urs Freuler, Daniel Gisiger, Bruno Risi, Kurt Betschart und Franco Marvulli, um nur einige zu nennen. Die Liste an möglichen Fahrern, die ebenso erfolgreich (wie populär) werden könnten, ist vielversprechend. Angeführt wird sie von Silvan Dillier und Stefan Küng, die, wenn sie gesund bleiben, für Rio gesetzt sein dürften.
Dillier hat seine Klasse nicht nur mit dem Vorjahressieg an den Sixday-Nights (mit Iljo Keisse) unter Beweis gestellt. Ein Müsterchen seines Talentes gab der Aargauer in Zürich auch in der Nacht auf Freitag ab, als er (mit Leif Lampater) mit einem doppelten Rundengewinn und der (zumindest temporären) Führung in der Gesamtwertung die Herzen des Publikums eroberte.
Dass Stefan Küng im Hinblick auf das Weltcuprennen in London in einer Woche und mögliche Punkte für die Olympiaqualifikation 2016 auf Zürich verzichtet hat, bringt eine gewisse Problematik zum Vorschein. Dem Ziel Rio wird vieles untergeordnet, obschon die Sixdays zumindest für die Popularität bei weitem förderlicher wären. «Wir hätten ihn gerne bei uns gehabt», gibt Urs Freuler unumwunden zu. «Er und Schir hätten das Publikum sicher begeistert.» Auch Kurt Betschart findet es schade, dass Küng nicht dabei ist, «zumal die vier Tage Sixdays kaum Einfluss auf den Weltcup in London haben.»
Ein weiteres Problem ist die Kombination Strasse/Bahn. Dillier gab 2014 das Profi-Debüt auf der Strasse, was mit dem Sieg an der WM im Teamzeitfahren (mit BMC) erfolgreich endete. Küng, der an der U23-WM Bronze im Zeitfahren holte, wird seinen Weg bei den Profis ebenfalls machen. Das bringt gewisse Herausforderungen mit sich, zumal sich die Strassenteams im Gegensatz zu früher schon im Winter auf die neue Saison vorbereiten.
Die Anzahl an guten Schweizer Bahnfahrern ist so gut wie noch selten zuvor. Geht man vom jetzigen Stand aus, hätte das Quartett Pasche/Schir/Dillier/Küng die besten Karten für die Mannschaftsverfolgung in Rio de Janeiro. Allerdings kommen noch diverse andere Fahrer für Olympia 2016 in Frage.
Vom St. Galler Tom Bohli hält Daniel Gisiger einiges. Er sei der zweitbeste Verfolger hinter Küng und könne eine Schlüsselrolle im Team einnehmen. Ein Kandidat könnte auch der Thurgauer Claudio Imhof sein, sofern er nicht immer wieder durch Krankheiten und Verletzungen zurückgeworfen wird. Im Nachwuchs fuhr er mit Dillier den Gegnern noch um die Ohren, ehe sich ihre Karrieren unterschiedlich entwickelten.
Loïc Perizzolo kann sich für den Vierer ebenso Chancen ausrechnen wie Olivier Beer und Cyrille Thièry, der ebenfalls mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte.
Marguets Traum
Sowohl für den Vierer als auch für das sechsteilige Omnium kommen Schir und Beer in Frage. Weitere Kandidaten für das Omnium sind der Waadtländer Gaël Suter und der Wahlzürcher Tristan Marguet, der Untermieter im Haus von Franco Marvullis Eltern ist. Marguet wird nächstes Jahr mehr Strassenrennen bestreiten, um die nötige Härte und Ausdauer für die Einzelverfolgung zu erlangen. Gelingt ihm dies, darf er sich reelle Chancen für Rio ausrechnen. «Mein Traum ist es schon immer gewesen, einmal um Olympiamedaillen zu fahren», hält der 27-jährige Walliser fest.
Roger Metzger
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