Der Vogel des Jahres fordert die Geduld heraus
Um einen Blick auf den gelben Pirol zu erhaschen, muss man früh aufstehen, Zeit und einen Feldstecher mitbringen. In den Thurauen begaben sich Vogelfreunde gestern auf die Pirsch.
Seit die Thur bei der Rheinmündung aus ihrem Korsett befreit ist, mäandriert der Fluss an dieser Stelle und überflutet bei Hochwasser den Wald. Das dadurch entstandene Auengebiet ist ein Zuhause für eine Vielzahl von Vogelarten, die sich auf Kiesinseln, im Flachwasser und auf Schlickflächen wohlfühlen. Von den steil abfallenden Ufern kann der Eisvogel pfeilschnell ins Wasser stechen, und auch den Bibern gefällt die neue, sandige Umgebung. Früh am Morgen machte sich gestern eine Gruppe von 30 Vogelkundigen im Auenwald auf die Suche nach dem Pirol. Dieser wurde vor Kurzem zum Vogel des Jahres 2013 erklärt und fühlt sich in den Thurauen zu Hause.
Bis um 6.45 Uhr war er nicht zu hören. Dann ertönte der Ruf des Kuckucks. «Ein Zeichen, dass der Pirol nicht weit ist», sagt die Exkursionsleiterin Sophie Baumann vom Naturzentrum Thurauen. Tatsächlich flötete ein Pirol kurz darauf los. Der warme Ton seiner Singstimme hob sich klar vom Chor der anderen Singvögel ab. Um den Pirol dann auch noch zu sehen, brauchte es allerdings viel Geduld und Glück. Mit seinem gelben Federkleid ist er hierzulande ein Exot. Er lebt in den Wipfeln alter Bäume, jagt dort Insekten und trinkt die Regentropfen von den Blättern. Im Unterholz sieht man ihn kaum. Der Zugvogel verbringt den Winter in wärmeren Gebieten. Es zieht ihn südwärts bis nach Guinea, Kenia und Uganda.
In den Thurauen brüten heute 45 bis 50 Vogelarten. «Das entspricht einem Sechstel der in der Schweiz vorkommenden Brutarten – damit sind wir sehr zufrieden», sagt Baumann. Hinzu kommen viele Kurzaufenthalter, Vögel, die auf der Durchreise sind und am Thurufer eine Pause einlegen, sich ausruhen und stärken. «Das ist wie bei Flugzeugen, die ab und zu auftanken müssen.»
Auch Fremde fühlen sich wohl
Im Auenwald sind die Tiere nahezu ungestört. Einigen Zugvögeln hat das renaturierte Gebiet sogar so gut gefallen, dass sie geblieben sind, wie zum Beispiel die Mittelmeermöwe. «Wir sehen das allerdings nicht so gerne», sagt Baumann. Denn die neuen Arten würden den einheimischen Vögeln Platz und Futter streitig machen. Die Gruppe der Vogelbeobachter erinnert der Ruf der Möwen ans Meer.
Beim Zwitschern sind die Singvögel jedoch bestens organisiert. Um sechs Uhr früh hört man zuerst das Rotkehlchen, dann die Amsel, den Zaunkönig und den Kuckuck. Die Vögel hätten die Singzeiten untereinander verteilt, um im grossen Gezwitscher nicht unterzugehen und die Partnersuche damit zu erleichtern, erklärt der Experte. Für die Naturfreunde gibt es auf dem Spaziergang nebst den Vögeln auch seltene Pflanzen und Bäume zu entdecken. Baumann macht uns zum Beispiel auf eine Schwarzpappel aufmerksam oder auf eine Silberweide. Letztere war der Stolz des Försters – bis sie vom Biber gefällt wurde. In den Lauf der Natur wird in den Thurauen aber nicht eingegriffen. Der Wald bleibt fünfzig Jahre sich selbst überlassen. Das sollte man sich übrigens auch als Spaziergänger in Erinnerung rufen. Denn bei Wind kann es schon mal vorkommen, dass ein Ast oder ein Vogelnest aus den Bäumen auf den Weg fällt.
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