Herbie Kopfs Scofield-Quantensprung
Das Quartett Explo 3000 des Zürcher Elektrobassisten Herbie Kopf gibt es seit über zehn Jahren. Nun hat die Band ihre vierte CD veröffentlicht. Vor dem Konzert in Winterthur verrät der Bandleader einige seiner musikalischen Vorlieben.
Die Stücke des Autodidakten Herbie Kopf zeichnen sich durch spezielle formale Abläufe, harmonische Vielschichtigkeit und rhythmische Komplexität aus. Man merkt ihnen an, dass hier ein offener Geist am Werk ist, dessen Herz nicht nur für den Jazz schlägt, sondern auch für die reiche musikalische Tradition Brasiliens und für Streichquartette aus dem 20. Jahrhundert. Kopf kooperiert seit vielen Jahren regelmässig mit brasilianischen Musikern, die hierzulande – temporär oder für immer – ein zweites Zuhause gefunden haben: «Von ihnen habe ich gelernt, dass es viel mehr als Bossa nova und Samba gibt.»
Beim Quartett Explo 3000 handelt es sich allerdings um eine rein helvetische Formation mit Hans Feigenwinter (Piano), Adrian Pflugshaupt (Sopransax, Bassklarinette), Pius Baschnagel (Schlagzeug) und dem Leader am Elektrobass. Auf der neuen CD dieser famosen Gruppe gibt es ein Stück, das ursprünglich für eine Live-Vertonung des Spielberg-Streifens «The Duel» entstand. Veröffentlicht hat Kopf das Album «Fairytale» auf seinem eigenen Label Live Life, das ausschliesslich Konzertmitschnitte herausbringt.
Das Erweckungserlebnis
Die zweite Neuerscheinung auf Live Life stammt vom Altsaxofonisten Reto Suhner. «Neben diesem Album seines Quartetts hat er ja auch noch eine sehr interessante Nonett-CD veröffentlicht», hält Kopf fest. Kopf verfolgt das Schaffen seiner Kollegen nach wie vor mit Interesse – im Gespräch hebt er neuere Aufnahmen von Mats Spillmann und Jochen Baldes positiv hervor – und er vergisst auch nicht, mit Floriano Inácio einen hochbegabten Wahlschweizer aus Brasilien zu erwähnen.
Blendet Kopf in seiner eigenen «éducation sentimentale» ein paar Jahre zurück, kommt er unweigerlich auf ein Erlebnis zu sprechen, das wir hier den «Scofield-Quantensprung» nennen wollen und das er mit dem Gitarristen Harald Haerter teilte. «Im Radio hörte ich eine Vorschau aufs Jazzfestival Zürich und da haben sie auch Scofield gespielt. So etwas hatte ich zuvor noch nie gehört, das war ein ganz neuer Gitarrensound im Jazz. Ich bin dann grad in einen Plattenladen gerannt und hab mir eine Scofield-Scheibe gekauft, die umgehend von Haerter sozusagen beschlagnahmt wurde. Wir haben die Stücke rausgeschrieben und nachgespielt und sind auch zu Konzerten nach Deutschland gereist.»
Als Kopf dann 1982 zum ersten Mal nach New York kam, nahm er Kontakt zu Scofield auf und bat ihn um Privatunterricht. Die erste Lektion musste allerdings verschoben werden, weil Scofield gerade seine erste Probe mit Miles Davis hatte. Kopf wollte von Scofield mehr über dessen Konzept erfahren, nicht zuletzt über seine Art, zwischen Inside- und Outside-Spiel zu changieren. «There’s no concept, I just play by ear», soll Scofield geantwortet haben. Kürzlich hat der Zürcher im Moods ein Konzert von Scofields Überjam-Band besucht und war beeindruckt: «Ich habe neue Elemente bei ihm entdeckt, er hat sich wirklich weiterentwickelt.»
Keine Kopien
Das Spiel auf dem Elektrobass brachte sich Kopf, der 1962 geboren wurde, selbst bei. Ein Berufsstudium hätte er zu seiner Zeit sowieso nicht machen können: «Damals hatte nur die Swiss Jazz School in Bern eine Berufsabteilung, und dort war E-Bass ein Schimpfwort.» Kopf, inzwischen selbst zum Hochschuldozenten gereift, entschied sich ganz bewusst für den E-Bass: in erster Linie, weil ihm der Sound gefiel. Es ist ihm klar, dass es immer Puristen geben wird, die nicht bereit sind, den E-Bass als vollwertiges Jazzinstrument zu akzeptieren – und er erzählt die Anekdote, wonach Steve Swallow in den Bands von Monk, Jarrett und Betty Carter hätte einsteigen können, wenn er nicht auf den Elektrobass gewechselt hätte.
Liebe ohne Grenzen
Geht es um den Umgang mit Vorbildern, so lautet Kopfs Credo: «Es bringt nichts, diese Vorbilder kopieren zu wollen. Natürlich kommt man als Elektrobassist, der fretless spielt, nicht um Jaco Pastorius herum – er hat das Bassspiel nachhaltig revolutioniert.» Je näher man aber an ein Vorbild herankomme, desto mehr merke man, dass man nie ganz daran herankommen werde. Für Kopf ist dies allerdings kein Dilemma, vielmehr sieht er die Lösung darin, aus verschiedenen Einflüssen etwas Eigenes zu machen.
Dass die musikalischen Vorlieben von Herbie Kopf kaum einzugrenzen sind, hat man wohl schon gemerkt – die virtuose Multistilistik des brasilianischen Urwald-Futuristen Hermeto Pascoal gehört ebenso dazu wie die vielschichtige Harmonik des West-Coast-Meisterarrangeurs Clare Fischer. Und dass die Liebe zum kanonisierten Modern Jazz noch längst nicht abgekühlt ist, beweist er mit seiner Begeisterung für Wayne Shorters Blue-Note-Album «JuJu» aus dem Jahre 1964, bei dem er das furiose Spiel des Schlagzeugers Elvin Jones hervorhebt: «Das ist immer noch total hip, das kann man eigentlich gar nicht toppen.»
Herbie’s Explo 3000
Live: Freitag, 17.1., 20.15 Uhr, Esse-Musicbar Rudolfstrasse 4 CD: Fairytales (Live Life Records)
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