Ischgl: A la Mallorca oder Ibiza?
Ballermann- oder Lifestyle-Metropole? Wintersportorte von St. Anton (Ö) bis Zermatt tun sehr viel, um sich ein bestimmtes Image zu verdienen. Dies wiederum tun sie, um möglichst viele Kunden aus möglichst vielen Zielgruppen anzulocken. Europas Alpenexperten streiten sogar darüber, ob es besser ist, auf ein bestimmtes Segment zu setzen oder aber einfach alle damit anzulocken, möglichst viel Winterspass bekommen zu können. Beides scheint eine Gratwanderung. Zumindest mit den grossen Skigebieten sollten die Kunden dabei aber nicht allzu viel Mitleid haben. Die meisten von ihnen besitzen fast alles, was der zahlkräftige Kunde im Winter begehrt. So auch Ischgl, das mit rund 240 Pistenkilometern, 44 Bahnen und Liften, mehreren Wellnesspalästen, unzähligen Hotels und Restaurants und einem prall gefüllten Eventkalender zu einem der bekanntesten und begehrtesten Wintersportorte der Alpen zählt. In Ischgl «beginnt die Party mit dem Après-Ski und dauert bis am frühen Morgen», wird einem vor der Abreise ins gut 200 Kilometer entfernte Schneeparadies gesagt. «Da reissen nicht mehr ganz junge Männer problemlos junge Frauen auf. Und dort suchen jüngere wie reifere Damen nach spendierfreudigen Herren, die ihnen das Wochenende versüssen.» Solcherlei hört Ischgls Tourismusdirektor Andreas Steibl nicht gern. Seit Ischgl jährlich Saison-Openings und -Closings mit internationalen Stars von Elton John bis Nickelback veranstaltet, hat der Ort von Zürich über München bis nach Hamburg und London ein Ballermann-Image. Die Touristiker mussten sich überlegen, wie sie das wieder loswerden können. Wie Steibl gegenüber der «Hotelrevue» unlängst erklärte, seien die Medien schuld, die in Ischgl aufs Thema Entertainment fokussierten. «Dabei steht bei uns Skifahren an erster Stelle.» Dennoch: Steibls grösstes Problem scheinen Tagestouristen, die per Car anreisen. Eine Zielgruppe, welche primär zum Feiern komme. Neuerdings versucht man diesen Tourismus einzuschränken, indem Bustouristen im Besitz eines Skipasses sein müssen. Ausserdem wurde Outdoor-Musik ab 20 Uhr untersagt und eine dorfeigene Security sorge für den richtigen Ton. Steibls Ziel ist es, so vom Ballermann-Image wegzukommen. Ischgls Zielgruppe ordnet er als «Lifestyle-Publikum» ein, vergleichbar mit jenem von Ibiza statt Mallorca: zwischen 30 und 60 Jahre alt, überdurchschnittlich verdienend und sportaffin, aber auch einer Feier nicht abgeneigt. Champagner gehöre dazu. Ausschweifungen nicht. Als Skitourist beim letzten Saison-Opening kann man von dieser Strategie halten, was man will, jedenfalls kamen an diesem Wochenende (die rund 12 000 Betten waren voll belegt) sport- wie partyaffine Touristen auf ihre Kosten: Die Tageskarte ist mit 43,50 Euro billiger als in vergleichbaren Skigebieten in Graubünden oder im Wallis. Die Pisten und Anlagen sind mindestens so komfortabel und abenteuerlich wie in den Vorzeigegebieten in den Schweizer Alpen. Und die Partyspots sind zwar eindeutig verlockend und potent vorhanden, aber Sport- oder Wellnesssuchende können diese auch locker und ungestört umgehen. Etwas erlebten zumindest die Besuchenden an diesem Wochenende als eindeutig besser als in der Schweiz: «Servus» oder «Guten Tag», heisst es am Ticketschalter und in den Restaurants immer zuerst, wenn man eintritt. «Haben Sie noch einen Wunsch?», wird der Gast gefragt, nachdem er etwas konsumiert hat. Das fühlt sich nicht an wie weiter oben am Inn oder ennet dem Rhein und ist ganz bestimmt auch nicht Ballermann. Wenn es Ischgls «Lifestyle» ist, dann ist es gut.
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