«Ja zur Verfassung, Ja zu Sisi»
Kairo. Die Abstimmung über die neue ägyptische Verfassung wird zum Plebiszit über die Armee und deren obersten General. Die Militärgegner können sich kein Gehör verschaffen.
Mit ihrem kleinen Sohn an der Hand steht Umm Ali in der Warteschlange vor einem Wahllokal und sagt, nun werde endlich alles gut: «Diese Verfassung wird das Land wieder auf die Beine bringen. Sie wird die Wirtschaft ankurbeln und den Terror beenden.» Andere Wähler in der Warteschlange äussern sich ähnlich optimistisch.
Das Verfassungsreferendum stellt zwar eine Stärkung der Bürgerrechte in Aussicht, zementiert zugleich aber auch die Sonderstellung der Armee, der Polizei und der Justiz. 250 000 Soldaten sind während der zwei Wahltage stationiert, um die etwa 30 000 Wahllokale im Land zu schützen. Doch noch vor Beginn der Abstimmung detoniert am Dienstagmorgen eine Bombe vor einem Gerichtsgebäude in Kairo. Personen werden jedoch keine verletzt.
Keine starke Opposition
Der Urnengang selbst verlief weitgehend ohne Zwischenfälle: Mit vielen Nein-Stimmen muss die Regierung mangels echter Opposition nicht rechnen. Die Muslimbrüder boykottieren das Referendum, das sie als illegal bezeichnen. Ihre Demonstrationsmärsche werden gewaltsam aufgelöst. Schon vor Wahlbeginn geben die Sicherheitskräfte kritischen Stimmen keinerlei Raum: Mehrere Mitglieder der Partei Starkes Ägypten werden verhaftet, als sie Plakate aufhängen wollen. Ahmed Eid, der Bruder eines Festgenommenen, klagt, dass die jetzige Regierung noch weniger Freiheiten gewähre als das ehemalige Regime des Diktators Hosni Mubarak. «Jetzt will die Armee erneut die Macht übernehmen und eine Regierung aus Generälen formen.» Mohammed Eid wartet vor der Universität, um gegen die Armee zu demonstrieren. Dass dies etwas bewirken werde, glaubt er allerdings nicht. Wenn nötig, werde die Regierung das Wahlergebnis fälschen, ist er überzeugt. Andere aber sehnen sich nach drei chaotischen Jahren voller wirtschaftlicher Hiobsbotschaften ebendiese Militärherrschaft zurück. 75 Prozent Zustimmung hat der Vorsitzende des Verfassungskomitees, Amr Mussa, vor dem Referendum als Prognose genannt. Das tatsächliche Ergebnis dürfte nach Einschätzung von Wahlbeobachtern vor Ort noch deutlich höher liegen.
Der populäre General Sisi
Abu Hassan, ein Rentner aus dem Kairoer Armenviertel Dar al-Salam hält stolz seinen mit roter Wahltinte gefärbten Zeigefinger vor die Kamera. Keine Wahl der vergangenen drei Jahre habe er ausgelassen, verkündet Abu Hassan. Ja zur Verfassung habe er gestimmt und damit Ja zu Armeechef Abdel Fattah al-Sisi: «Er ist ein guter Mann, der Ägypten vor einer grossen Katastrophe bewahrt hat. Bei Gott, er liebt das Volk. Und deshalb werden mehr als 80 Prozent zustimmen.» Wie Abu Hassan verstehen viele Ägypter das Referendum nicht nur als eine Abstimmung über die Verfassung an sich, sondern auch als Aufforderung an Al-Sisi, sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen zu lassen. Als der populäre General um kurz nach neun Uhr Ortszeit ein Wahllokal in Kairo inspiziert, jubeln ihm die Wähler zu: «Wir lieben dich, Sisi.» Mehrere Frauen fallen ihm begeistert um den Hals. Der populäre General hatte Tage vor der Wahl so deutlich wie nie zuvor seine Ambitionen auf das höchste Staatsamt durchblicken lassen.
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