«Kleine Fische» unter den Steuersündern
Entgegen den Erwartungen steigt in vielen Kantonen die Zahl der Selbstanzeigen von reuigen Steuersündern wieder. Da es sich aber vermehrt um kleinere Fehlbeträge handelt, hat die Zunahme nicht überall die gleichen Auswirkungen.
650 Personen haben im Kanton Bern im vergangenen Jahr eine straflose Selbstanzeige wegen hinterzogener Steuern eingereicht. Das sind 190 Fälle mehr als im Vorjahr und so viele wie noch nie seit der Einführung der Steueramnestie 2010. Diese ermöglicht es Steuerhinterziehern, sich einmal im Leben selbst anzuzeigen, ohne eine Strafe fürchten zu müssen. Bemerkenswert an der Meldung aus Bern ist nicht nur der Rekordwert, sondern auch die Umkehr des Trends: Zuletzt waren die Steuerbehörden wegen rückläufiger Zahlen davon ausgegangen, dass der Ansturm auf die Legalisierung von Schwarzgeld langsam nachlässt. Im Jahr vier der Steueramnestie aber ändern sich die Vorzeichen. Kantone bestätigen Anstieg Im Kanton Zürich, der vor Bern am meisten Selbstanzeigen verzeichnet, ist die Zahl vor 850 auf 1300 gestiegen (Ausgabe vom Montag). Die Anfragen bei anderen Kantonen, die bisher viele reuige Steuersünder zählten, bestätigen das Bild. Der Kanton Luzern hat 340 Selbstanzeigen verzeichnet (Vorjahr: 262), der Kanton Solothurn 286 (215). Der weniger stark betroffene Kanton Thurgau weist zumindest eine leichte Zunahme aus: von 109 auf 118. Und die Schwyzer Behörden nahmen im vergangenen Jahr mit 166 so viele Selbstanzeigen wie noch nie zuvor entgegen. Keine Angaben machten auf Anfrage der Aargau und St. Gallen. Die Kantone führen die Zunahme auf die international geführte Diskussion um den automatischen Informationsaustausch bei Bankkonten zurück sowie auf die drohende Aufhebung oder Verwässerung des Bankgeheimnisses. Der Solothurner Steueramtschef Marcel Gehrig spricht von einem «Wertewandel in der Gesellschaft»: Steuerhinterziehung gelte heute nicht mehr als Kavaliersdelikt. Hinzu komme, dass Banken vermehrt Druck auf Selbstanzeigen machen würden. «Schwarzgeld ist nicht mehr attraktiv für die Banken.» Auch sein Thurgauer Amtskollege, Jakob Rütsche, sagt: «Ich glaube nicht, dass es mit den Selbstanzeigen so bald zu Ende ist.» Kleinster Fall: 200 Franken Bei der zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung werden häufiger Selbstanzeigen wegen kleiner Beträge eingereicht. «Wir nehmen an, dass nicht alle Personen das Thema ‹Automatischer Informationsaustausch› richtig einordnen können», sagt Yvonne von Kauffungen, Sprecherin der Berner Finanzdirektion. «Es werden einzelne, vergessen gegangene Sparbüchlein oder Konten mit kleinen Beträgen nachgereicht.» Das spiegelt sich in den gestern veröffentlichten Zahlen wider: Im kleinsten Fall handelte es sich um einen Fehlbetrag von 200 Franken. Von den 650 Selbstanzeigen im vergangenen Jahr fallen 110 in die Kategorie «Abgeschrieben» – die Beträge sind zu tief, um versteuert werden zu müssen. Mehr Selbstanzeigen bedeuten deshalb nicht zwingend, dass die öffentliche Hand auch mehr an geschuldeten Steuererträgen erhält. Im Gegenteil: In den Kantonen Thurgau, Solothurn, Luzern und Schwyz hingegen fallen die Nachsteuern sogar tiefer aus als im Vorjahr. Von den bisher bekannten Zahlen steigen die Erträge einzig in Bern, von 13 auf 28,6 Millionen Franken. Im Kanton Zürich ist die Höhe der Nachsteuern aufgrund der 1300 Selbstanzeigen noch nicht bekannt.
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