Kunst tanzt mit Natur
Wer «Skulptur» mit herumstehenden (meist weiblichen) Bronze-Nackedeis auf hohen Sockeln verbindet, muss zum Skulpturen-Symposium im Weiertal pilgern: Dort zeigen Kunstschaffende, dass Skulpturen mitten im Leben stehen, bewegen und sogar virtuell sein können.
Einfach haben sie es heute gar nicht mehr: Skulpturen – dreidimensionale Arbeiten generell –, denn sie sind sperrig und benötigen viel Umschwung, sollen sie ihre ästhetische Wirkung entfalten. Weil aber nicht nur Zeit, sondern auch Platz Geld ist, werden sie im öffentlichen Raum wenn nicht abgeräumt schlicht präventiv weggespart. Im idyllischen Garten des Kulturortes Weiertal am Stadtrand dagegen erhalten Skulpturen während einer Biennale in einem Skulpturen-Symposium genannten Anlass ihren ganz eigenen Raum (Sponsoren für den Platz sei Dank). Dieses Jahr findet die Biennale zum dritten Mal statt, Initiantinnen sind die Galeristin des Weiertals Maja von Meiss und die Künstlerin Ulla Rohr. Dies Jahr konnten sich die Kunstschaffenden neu nicht mehr bewerben – sie wurden von Guido Magnaguagno, dem ehemaligen Direktor des Museums Tinguely Basel und künstlerischen Leiter der diesjährigen Biennale, handverlesen. «Dieses Konzept erlaubte es uns, inhaltlich klare Schwerpunkte zu setzen», sagt von Meiss. Wie Magnaguagno betont, hat sich die Skulptur im 20. Jahrhundert von vielen Zwängen befreit: Sie wurde vom Sockel geholt, sie kann und darf sich bewegen, sie muss nicht mehr aus Marmor oder Bronze bestehen – und sie muss auch nicht mehr so richtig anwesend sein: Die virtuelle Skulptur beginnt sich zu entwickeln. Neben diesen neuen Trends, die der künstlerische Leiter sichtbar machen will, kommen auch Arbeiten in traditionellen Materialien und figürliche Werke zu ihrem Recht – in teils überraschenden Arrangements. Im Garten mit Bachläufen, See- rosenteich, Obstbäumen und Park – einem Gesamtkunstwerk, das von Richard und Maja von Meiss in den vergangenen Jahrzehnten angelegt wurde – durften sich die geladenen Kunstschaffenden ihren Platz wählen. Zu diesem Ort entwickelte jeder eine Arbeit, die sich mit der Charakteristik des Ortes auseinanderzusetzen hatte. Mini-Titanic und grosses Hallo Ein bisschen wie die Frösche um den Teich stehen die Werke in herkömmlichen Materialien und die Figuren am Rand des grossen Parks. Am Eingang zum Park lässt Basil Luginbühl für den Besucher ein Begrüssungskomitee aus Eisen antreten, das den Besucher mit grossem Hallo in vier Schweizer Landessprachen begrüsst. Über Crettols überdimensionierte Hummerscheren aus poliertem Marmor darf man ebenso schmunzeln wie über Jean-Marc Gaillards Bonsai-Titanic, ein Gummiboot aus Eisen. Im Innern des Gartens begegnen die neueren Positionen: Hier überraschen Pascal Kohtz' schnarchende Hydraulik-Installation, die rotierende Bürste von Sabina Gnädinger oder die bunten Bojen von Philippe Winninger, die auf dem Wasser des Baches tanzen. Skulptur darf heute bunt sein, in Bewegung und sie darf den Betrachter auf Trab halten, indem der sich die verschiedenen Aspekte buchstäblich erwandern muss. (K)ein Ort Gelungene Beispiele für die Sparte «Virtuelle Skulptur» liefert das Duo Glaser/Kunz, das in einer kinematografischen Arbeit zwei Kinder sich Fragen über die Welt stellen lässt. Maya Vonmoos' Skulptur entstand am Computerbildschirm und verändert sich fortlaufend. Arrangiert wurde die Arbeit in einem Haufen geschnittener Zweige. So erhält die virtuelle Endlosschlaufen-Skulptur in der Natur ihren stabilen Ort. Lichtkunstwerke, die sich wie im Fall von Maurizio Nannuccis Arbeit zauberhaft im Seerosenteich spiegeln, vervollständigen die Positionen des aktuellen Kunstschaffens. Magnaguagno, von Meiss und Rohr ist eine eindrückliche Präsentation gelungen, die besser als in anderen Jahren die aktuellen Strömungen veranschaulicht. Damit wird die Ausstellung auch ihrem Anspruch eher gerecht, der zeitgenössischen Kunst Impulse zu verleihen. Die junge Generation – unter ihnen Mickry3, Vivi Linnemann oder Jérémie Crettol – kann sich dank sensibler Auswahl durch die Organisatoren gegen die «Alte Garde» wie HR Giger oder Roman Signer gut behaupten. Doch wird dem Besucher kein kunsttheoretischer oder historischer Ballast aufgebürdet (der Katalog wiegt nur wenige Gramm und kann auf den Rundgang mitgenommen werden) – im Gegenteil, die Qualität der meisten Arbeiten und ihre Inszenierung laden ein, sich leichten Fusses in den Reigen von Kunst und Natur einzureihen.
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