Lebenswege auf Fotopapier
«The Equation of Desire»: Die Kunsthalle zeigt Installationen des Mexikaners Martin Soto Climent. Starke Gefühle kommen zum Ausdruck: Erotik, Hoffnung, Unschuld.
Die Sommerausstellung der Kunsthalle Winterthur widmet sich dem mexikanischen Künstler Martin Soto Climent (*1977). Drei Installationen sind zu sehen, von denen jene im Eingangsbereich das Herzstück der Ausstellung bildet. «The Equation of Desire» – bereits im Titel schwingt einiges davon mit, was in der Arbeit steckt. Zu übersetzen ist der Titel vielleicht mit Gleichung (oder auch Gleichgewicht) des Verlangens, aber auch der Sehnsucht. 366 Fotografien auf Baumwollpapier suchen sich ihren Weg durch den Raum, verteilt über die Wände und den Fussboden. Der Betrachter klettert wörtlich über Lebensetappen, sein Blick streift Glück, Liebe, Lust, begegnet politischem Aufbegehren. Vier Jahre lang hat der Künstler an dieser Fotoinstallation gearbeitet. Schnittstellen, Kreuzungen Es sind Abzüge aus Fotojahrbüchern, die der Arbeit zugrunde liegen: Er schlägt die Bände auf, faltet die oben liegende Seite zu einer Rolle und gibt dadurch den Blick frei auf die darunter liegenden Seiten. Das Bild in der Mitte stellt sich wie eine Plakatsäule vor die beiden anderen. Drei Bilder verbindet er so miteinander und entnimmt sie damit ihrem ursprünglichen Kontext. Die auf diese Weise gewonnenen Rekombinationen fotografiert er ab und reiht die Bilder aneinander. Die Methode wird zur Referenz auf die Fotografie: Sie fängt als Beobachterinstanz einen Augenblick ein, ohne auf ihn einzuwirken oder zu verändern. Wie eine Collage scheint das Resultat, eine Collage, die keine Spuren am Original hinterlässt. Wenige Farbtupfer sind zu sehen, generell folgt die Installation einer sehr schlichten Ästhetik. Einem Domino gleich möchte man die Arbeit lesen, ein Bild soll sich aus dem anderen ergeben, tut es aber nicht. Wie ein Kreuzworträtsel Schnittstellen ergibt, so will man sie intuitiv an den Kreuzungen der Bildzeilen erkennen, findet sie aber nicht. Man versucht, Wegmarken zu suchen, wo die Bildstränge abzweigen. Die Arbeit folgt keiner sichtbaren Ordnung, dennoch entsteht eine Erzählung, es schlängelt sich ein roter Faden durch sie, es sind Stationen auf einem Lebensweg, die starke Gefühle auslösen, sei es Erotik, Unschuld, Hoffnung, Liebe. Bilder im Kopf Die Situation assoziiert Bilder im Kopf des Betrachters, er folgt einem eigenen Pfad, angesiedelt zwischen Fremdem und Eigenem, Zukunft und Vergangenheit, Traum und Wirklichkeit. Die persönliche Auseinandersetzung des Künstlers erhält allgemeine Gültigkeit, wird zur Conditio humana. Auch die anderen beiden Arbeiten der Ausstellung erzählen Geschichten. Eine der beiden trägt den Titel «Lie in the Air», wiederum mehrdeutig. Sie zeigt zwei alte Schreibmaschinen, deren Tasten L O V E jeweils angetippt sind, indem die Typenhebel mit einer Schnur an die der gegenüberliegenden Maschine geknüpft sind. Das Gedicht an der Wand wird zur Verdeutlichung dieser sprachlichen Assoziation, der es etwas an Subtilem mangelt. Leiser zeigt sich die dritte Arbeit, zu der man gelangt, wenn man an der Schere vorbeigeht, die als objet trouvé in der Wand steckt: Eine Kerze steht auf einem Laken, auf deren oberem Ende eine Büste steht. Der Titel «endless» steht in Spannung zur brennenden Kerze, deren Wachs sich zusehends verflüssigt. Wieder steht Sinnlichkeit im Zentrum, wieder auf eine sehr narrative Art. www.kunsthallewinterthur.ch
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