Mützen, Glocken und ein Nähset: Die Tour vor der Tour
Die Jugendlichen drängen sich an die Bande. «Achtung, gleich kommen sie!», rufen sie einander zu. Alle wollen möglichst nahe dran sein, wenn sie vorbeifahren – die Sponsorenfahrzeuge. Dieses Mal haben Melanie und ihre Freundinnen Erfolg. Lachend nehmen sie die grünen Kuhglocken entgegen. Bereits tragen sie weisse Strohhüte oder grüne Schirmmützen, und jede hat leuchtend rote Teufelshörnchen auf dem Kopf. «Die Hörnchen sind am coolsten», meinen die Freundinnen unisono. Sie sind sich einig: «Die werden wir auch später noch einmal anziehen.» Die Ausbeute der Werbetour ist gross, auch bei den anderen Zuschauern der Tour de Suisse im Etappenziel Ossingen. Die Sponsoren verschenken hier ihre Goodies, alle mit einem gut sichtbaren Logo versehen. Schals und Taschen, Rätschen und Glocken, Chips und Citro werden mit einem Tross Fahrzeuge kurz vor der Durchfahrt der Velofahrer verteilt. Die Werbekarawane hat eine lange Tradition. Verärgert über den Einfluss der Markenrennställe, wollten die Organisatoren der Tour de France 1930, dass sie für alle Fahrer die gleichen Räder bereitstellen können. Sie haben Markenunternehmen aufgefordert, sich an der Werbekarawane zu beteiligen und so die Kasse der Tour de France zu füllen. Heute gehört die Werbekarawane auch bei der Tour de Suisse mit ausgefallenen Fahrzeugen und über 49 000 verteilten Werbegeschenken fest ins Programm. Die Aufregung unter den Zuschauern ist bei der Ankunft der Sponsoren fast gleich gross wie bei den Rennfahrern. Ein Mann versucht, sich möglichst breitzumachen, um besser an die Präsente zu gelangen. Ein Junge versucht durch Rufen, auf sich aufmerksam zu machen. «Es gehört auch ein bisschen Glück dazu», sagt Gisela, die bereits diverse Hüte und Plastik-Rätschen erbeutet hat. Beides werde sie nicht einfach wegwerfen. «Die Rätsche schenke ich meiner Nichte. Da wird sich das Mami freuen», lacht sie. Dass es die Werbekarawane gibt, hat sie aber gar nicht gewusst: «Ich kam zum Rennen, weil ich mich im Fotografieren üben will.» Etwas irritiert reagieren zwei Herren auf ein kleines Plastikkästchen. «Das ist ein Nähset», wird erklärt. Mit dem Kommentar: «Für die Frau», stecken sie es ein. Flurina, welche Mützen verteilt, nimmt den Ansturm gelassen. «Die Leute nehmen alles und hamstern auch», erklärt sie lachend. «Aber es ist ja ein Fest – die Leute sollen Freude haben.»
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