Rechtspopulisten wollen mitregieren
Oslo. In Norwegen zeichnet sich bei den Parlamentswahlen am Montag ein Machtwechsel hin zu einer Rechtskoalition ab.
Der sozialdemokratische Ministerpräsident Jens Stoltenberg steht laut allen Umfragen bei den Parlamentswahlen in Norwegen am Montag vor einer deutlichen Wahlniederlage. Dafür könnten die Rechtspopulisten der grosse Sieger werden. Wirtschaftlich hätte wohl kaum jemand das mit enormen Öl- und Gasvorkommen gesegnete Land besser führen können, als Stoltenberg es getan hat. In seinen letzten acht Amtsjahren senkte er die Arbeitslosigkeit mit der Schaffung 360 000 neuer Stellen auf einen Wert von 3,6 Prozent und erreichte damit eine Quasi-Vollbeschäftigung. Auch der Wert des staatlichen Ölfonds, in dem 96 Prozent aller Rohstoffgewinne gesammelt und im Ausland angelegt werden, hat sich seit 2005 auf 4,5 Billionen Kronen (563 Milliarden Euro/694 Milliarden Franken) mehr als vervierfacht. Damit ist fast jeder der insgesamt 4,9 Millionen Norweger im Prinzip Kronenmillionär, sollte das Geld direkt ausbezahlt werden. Wegen der Überhitzung des kleinen Binnenmarktes wird aber darauf verzichtet. Nur 4 Prozent der Gewinne fliessen jährlich in den Staatshaushalt. Breivik-Partei im Aufwind Doch der Abstand der Sozialdemokraten, die laut jüngsten Umfragen bei 28,2 Prozent liegen, zur bürgerlichen Opposition aus der Partei Höyre (28,9 Prozent) und der fremdenfeindlichen Fortschrittspartei (FRP) (14,2 Prozent), der auch Massenmörder Anders Behring Breivik angehörte, ist noch immer spürbar. Stoltenbergs härteste Rivalin, Erna Solberg, 52-jährige Spitzenkandidatin der Höyre, wird von vielen Norwegern als sympathischer empfunden. Im Gegensatz zu Stoltenberg kommt sie aus einer Strassenbahnfahrerfamilie und gab sich volksnäher als der sogenannte Arbeiteraristokrat Stoltenberg. Gleiches gilt auch für Siv Jensen. Die Chefin der Rechtspopulisten tritt stets mit einfacher, volksnaher und markiger Sprache auf. Sie hat seit den Breivik-Anschlägen auch das rassistische Image ihrer Partei weiter abgewaschen. Stattdessen will sie für die Armen und Unterdrückten da sein, ein Gedanke, der den Sozialdemokraten abhandengekommen ist, wie sie findet. Viele ehemalige Wähler der Arbeiterpartei sind in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich in ihr Lager gewechselt. Mittlerweile sieht man Jensen gar in Umarmung mit Ausländerinnen. Die seien oft grösstes Opfer der altmodischen Unterdrückungsstrukturen in muslimischen Familien und sollten deshalb ihre Partei wählen, wirbt sie nun kurz vor dem Wahltermin nicht unerfolgreich. Solberg will Berichten zufolge nach der Wahlnacht am liebsten mit der FRP und auch der liberalen Venstre (5,7 Prozent) und den Christdemokraten (5,8 Prozent) die Regierung übernehmen. Möglich wäre auch, dass die FRP nur ihre Minderheitsregierung stützt, weil vor allem die Liberalen Vorbehalte gegen sie haben. Der Umstand, dass ausgerechnet Breiviks ehemalige Partei zwei Jahre nach dem Massaker Ministerämter belegen könnte, wird aber in Norwegen kaum als problematisch aufgefasst. «Die Norweger wählen wieder, was sie auch vor dem Massaker gewählt haben. Mit Utöya hat der Ausgang der Wahlen in Norwegen nichts mehr zu tun, auch wenn der Ton in Fragen um die muslimische Minderheit vielleicht insgesamt etwas weicher geworden ist», sagt der Sozialwissenschaftler Lars Gule von der Universität Oslo. Geht es den Norwegern zu gut? Seinen Popularitätsverlust erklärte Stoltenberg selbst mit der Dekadenz des Volkes. Den Norwegern gehe es fast schon zu gut, so sein Tenor. «Ich treffe viele Leute, die sagen, die Arbeiterpartei hat gute Sachen gemacht, aber wäre es nicht spannend, mal was Neues auszuprobieren?», so der Ministerpräsident. Seine Gegner geben ihm recht: «Ich glaube, ihr Sozialdemokraten habt ein genuines Interesse daran, unser Land besser machen zu wollen. Aber die Wähler haben genug vom reinen Verwalten Norwegens ohne Visionen», sagte Rechtspopulistin Jensen.
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