Vom Suchen und Finden
Die Grenzwächter der Grenzwachtregion II versuchen an der Staatsgrenze und im Hinterland gewerbsmässigen Schmuggel zu verhindern oder Kriminaltouristen zu entdecken: je nachdem im Wald oder auf der Strasse.
Fame keucht. Die Belgische Schäferhündin ist 14 Wochen alt und in Ausbildung zum Diensthund. Sie wird bei der Grenzwache einmal als Betäubungsmittelspürhündin arbeiten und auch als Schutzhündin einsetzbar sein. Gerade ist sie auf Patrouille im Wald. Fame zieht fest an der Leine, die Gabi Peric in der Hand hält. Die junge Frau nimmt zusammen mit ihren Kollegen Peter Zellweger und David Leclerc einen Augenschein in einem Waldstück im Rafzerfeld. Ihr Fahrzeug haben die Grenzwächter geparkt, bald nachdem sie in den Wald gefahren waren. Sie wollen nicht viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie wollen auch keine Spuren zerstören. Es ist still im Wald, nur das Keuchen Fames und das schmatzende Geräusch schwerer Stiefel auf nassem Waldboden sind zu hören. Die Grenzwächter sprechen leise miteinander, zeigen immer wieder auf den Feldweg, dem sie tiefer in den Wald folgen. Wie Stratego spielen Einsatzleiter David Leclerc erklärt, die Grenzwache hege den Verdacht, dass in diesem Waldstück heimliche Grenzübertritte stattfinden. «Es gibt einen Forstweg, der über die Grenze führt und mit einem Personenwagen befahrbar ist», sagt er. Zwar herrsche ein Fahrverbot, doch Waldarbeiter und Anwohner haben wiederholt Fahrzeuge auf diesen Wegen beobachtet. Es könnte sich um Schmuggler handeln, um Schlepper, um Menschenhändler, um Kriminaltouristen. «Oder um Waldarbeiter», sagt Leclerc, «dann wäre alles in Ordnung.» Leclerc zeigt auf den Waldboden. Dort zeichnet sich eine Reifenspur ab. «Die ist ganz frisch», sagt er, und dass sie aus der vergangenen Nacht stammen müsse. Am Vorabend hat es geregnet – das Fahrzeug muss den Weg danach befahren haben. «Es finden hier Aktivitäten statt», sagt er. Es ist nicht das erste Mal, dass die Grenzwächter hier Reifenspuren feststellen können. Jetzt geht es darum, den Zeitraum einzugrenzen, in welchem die Fahrten stattfinden. Anschliessend werden die Grenzwächter die Stelle überwachen. Ansitzen nennt es Leclerc. Jägersprache. Er erzählt, als Jugendlicher habe er oft das Brettspiel Stratego gespielt. «Darum geht es heute immer noch: abschätzen, was der nächste und übernächste Zug der Gegenseite sein kann», sagt Leclerc. 1744 Drogenfunde Stunden zuvor: Die Grenzwächter machen sich in ihrem Stützpunkt am Flughafen Zürich bereit für den mobilen Dienst. Jeder trägt eine grosse Tasche mit sich, in dem die Dinge sind, die er unterwegs brauchen könnte. Jacken, Leuchtwesten, Ersatzakkus und Verpflegung. «Dadurch sind wir im Einsatz flexibel», sagt Zellweger. Das erste Ziel ist Weiach am Rhein. Dort werden die Grenzwächter eine Kontrollstelle einrichten. Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem gewerbsmässigen Schmuggel und der grenzüberschreitenden Kriminalität: Im vergangenen Jahr fanden die Grenzwächter in der Grenzwachtregion II 1744-mal Drogen vor. In 420 Fällen fanden sie Waffen in den kontrollierten Fahrzeugen. 208 gefälschte Ausweise konfiszierten sie. Zellweger und Peric fahren in einem Kleinbus, Fame sitzt im Kofferraum. Leclerc folgt in einem Einsatzfahrzeug der Grenzwache. Peric steuert das Fahrzeug über die Flughafenautobahn. Wird sie überholt, blickt sie nach links, um den Lenker oder die Lenkerin des Fahrzeugs zu mustern. Dies geschieht ebenso automatisch wie das Kontrollieren der Nummernschilder der vorausfahrenden Autos. Kurz vor dem Autobahnende in Bülach nicken sich Peric und Zellweger zu. Peric überholt ein Fahrzeug und befindet sich nun hinter einem Fiat mit polnischem Kennzeichen. Sie öffnet die Scheibe, setzt das Blaulicht auf das Dach und Zellweger informiert über Funk den Einsatzleiter. Im Hardwald steuert der polnische Lenker sein Auto rechts ran. Noch im Fahren lösen Peric und Zellweger die Sicherheitsgurte und gleichzeitig steigen sie aus. Zellweger spricht mit dem Fahrer und Peric sichert auf der Beifahrerseite das Auto. Es stellt sich heraus, dass die Männer Brüder sind, in der Region arbeiten und in dieser Zeit auch hier wohnen. Alles in Ordnung. Zellweger sagt später: «Als Grenzwächter muss man von sich aus suchen.» Man achte auf Fahrzeuge, die nicht in den Verkehr, oder auf Lenker, die nicht in das Auto passen. An der Kantonsstrasse in Weiach ist schnell ein Kontrollposten eingerichtet. Peric stellt sich auf die Strasse und hält die Lenker an, freundlich und bestimmt. Auf einem Kiesplatz kontrollieren die Kollegen alle Fahrzeuge, die Peric auffielen. Den Lexus etwa, in dem zwei junge Männer sassen, die auf den erste Blick nicht in ein Auto dieser Preisklasse passen. Den Golf mit dem befristeten Kontrollschild für den Autoexport. Den zerbeulten Lancia mit italienischem Kennzeichen, in dem drei Männer sitzen. Instinkt und Erfahrung «Für die Vorselektion», sagt Leclerc, «hat man nur wenige Sekunden Zeit.» In diesen Momenten achten die Grenzwächter auf Details an Auto und Insassen und sie verlassen sich auf Instinkt und Erfahrung. Um Erfahrung zu bekommen, arbeiten auf dem Stützpunkt im Flughafen 19 Mitarbeitende, die kürzlich die Grenzwachtausbildung abgeschlossen haben. Das ist ein Viertel der Belegschaft. Die Strasse zwischen Kaiserstuhl und Glattfelden ist ein gutes Terrain, um diese Erfahrung zu erlangen. Oder um Personen auf die Schliche zu kommen, die abseits der Autobahn und der grossen Zentren reisen, weil sie etwas zu verbergen haben. Leclerc sagt, die mobilen Kontrollen seien jeweils zeitlich begrenzt, denn: «Es spricht sich herum bei denen, die wir suchen.» Die mobile Kommunikation ist eine Herausforderung für die Grenzwache und manchmal tauchen Warnungen vor Zollkontrollen auch in den sozialen Netzwerken auf. An diesem Tag sieht es nicht nach einem grossen Fang aus. Die jungen Männer im Lexus dürfen weiterfahren, ebenso die anderen Kontrollierten. Etwas länger warten müssen die Insassen des Lancias. Ein Mann kann sich nicht ausweisen. Ein anderer ist Ungar, obwohl es erst hiess, er sei Italiener. Die Männer müssen aussteigen, ein Grenzwächter durchsucht den Innenraum des Wagens. «Manchmal hat man einen Verdacht», sagt Leclerc, «aber findet man keine Hinweise auf ein Delikt, muss man die Personen gehen lassen.» Der Einsatzleiter sagt, eine der wichtigsten Eigenschaften eines Grenzwächters sei die Geduld. Die drei Männer dürfen in den verbeulten Lancia einsteigen und weiterfahren. Die Grenzwächter räumen den mobilen Kontrollposten. Nachwuchsdiensthund Fame muss wieder in die Transportbox im Kofferraum des Kleinbusses. Die Patrouille geht weiter: Erst in den Wald, dann zum Grenzübergang Rafz-Solgen im Rafzerfeld. Hier kontrollieren die drei Grenzwächter Fahrzeuge bei der Ausreise aus der Schweiz. Wieder bleibt ein Fahrzeug aus Polen in der Kontrolle hängen. Es ist ein Van, in dem zwei junge Männer und eine junge Frau reisen. Sie geben an, für einen Tag in die Schweiz gefahren zu sein. Leclerc lässt sich die Identitätskarten geben und kontrolliert sie im Zollhäuschen. Die ID muss klirren Die Geschichte mit dem Kurzaufenthalt leuchtet ihm nicht ein. Er lässt die Ausweise auf die Tischplatte fallen und sagt: «Man hört am Klang, ob ein Ausweis gefälscht ist.» Die Polykarbonatmischung für die Karten sorgt für ein klirrendes Geräusch beim Aufprall. Es klirrt. Auch der Test mit UV-Licht beweist die Echtheit. Am Computer fragt Leclerc ab, ob die Ausweise als gestohlen gemeldet wurden. Auch hier: Fehlanzeige. Obwohl er einen leisen Verdacht hat, wird er die Polen in wenigen Minuten ausreisen lassen.
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