«Wir haben bereits 2000 Überstunden»
«Auch wir sind am Anschlag», sagt Karin Fischer, Präsidentin der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Winterthur-Andelfingen. Die Ressourcen sind zu knapp. Die Stadt Winterthur wird über die Bücher gehen müssen.
Frau Fischer, die neuen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden schwimmen schweizweit in der Arbeit. Ist das bei Ihnen auch der Fall? Karin Fischer: Zweifellos, wir sind auch in Verzug. Bereits nach den ersten zehn Monaten haben wir insgesamt 2000 Überstunden geleistet. Woran liegt das? Einerseits muss man sehen: Wir sind der zweitgrösste von insgesamt 13 Kesb-Kreisen im Kanton. Bei uns sind 46 Personen, verteilt auf 34,7 Vollstellen, tätig. Davon gehören neun Personen der Behörde an. Die übrigen arbeiten im Behördensekretariat. Andererseits haben wir per Anfang dieses Jahres 2016 Dossiers aus der Stadt Winterthur sowie 557 aus dem Bezirk Winterthur Land und 272 Fälle aus dem Bezirk Andelfingen übernommen. Von diesen insgesamt laufenden 2845 Massnahmen betreffen 1800 solche im Bereich des Erwachsenenschutzes, welche bis Ende 2015 ins neue Recht überführt werden müssen. Gerechnet hatte man mit 2500 laufenden Massnahmen.
Somit sind Sie von den Fallzahlen her also mit zu wenig Personal dotiert? Ja, die 350 zusätzlichen Dossiers wirken sich natürlich aus. Hinzu kommen die Anforderungen des neuen Bundesrechts. Die Kesb hat im Vergleich zu den bisherigen Vormundschaftsbehörden sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht erweiterte Aufgaben. Kantonsweit ging man davon aus, dass dies im Vergleich zu bisher 15 Prozent mehr Personal braucht. Effektiv reichen diese zusätzlichen 15 Prozent jedoch insbesondere in der Aufbauphase bei Weitem nicht.
Wie geht es Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Der grosse Arbeitsdruck und die Überlastung reibt die Leute enorm auf. Wochenendeinsätze sind keine Seltenheit. Allmählich werden erste Ermüdungserscheinungen sichtbar. Der Betrieb läuft aber dank des grossen Engagements des ganzen Teams, von dem über die Hälfte neu ist, erstaunlich gut. Wir müssen einfach zurzeit streng nach Prioritäten vorgehen. Das heisst: Dinge, die nicht so brennen, bleiben im Moment liegen. Viel Zeit nimmt das neue Bundesrecht in Anspruch, für welches alle geschult wurden. Weiter müssen wir Arbeitsabläufe definieren und Schnittstellen klären. Abgesehen davon landen derzeit viele Gefährdungsmeldungen bei uns, die uns eigentlich gar nicht betreffen. Wir müssen die Meldungen aber dennoch sichten und weiterleiten.
Welchen Ausblick können Sie Ihrem Personal geben? Nimmt diese Arbeitsbelastung ab? Wir hoffen in erster Linie, dass wir durch verschiedene Strukturbereinigungen zusätzliche Ressourcen gewinnen. Unser Ziel ist es aber auch, die Mehrzeit grösstenteils auszahlen zu können. Müsste sie kompensiert werden, würde das Problem ins nächste Jahr weitergezogen werden.
Dann haben Sie aber immer noch zu wenig Personal. Für nächstes Jahr wollen wir eine zusätzliche Ausbildungsstelle beantragen. Zwei dieser sogenannten Auditoriate haben wir ja schon. Sie sind bereits in der Ausbildungszeit eine Unterstützung für die Kesb und wir sichern uns gleichzeitig gut ausgebildeten Nachwuchs.
Wird das reichen? Mehr können wir im Moment nicht fordern. Dazu ist Winterthurs Finanzlage zu schwierig. Wir hoffen natürlich auch, dass die Situation sich dadurch verbessert, dass die Aufbauarbeit ja in Zukunft kontinuierlich abnehmen wird.
Wieso wurden die Ressourcen so knapp berechnet? Einerseits hat die Zürcher Justizdirektion 2009 einen Grundlagenbericht in Auftrag gegeben, der mit den Fallzahlen jenes Jahres erstellt wurde. Andererseits sollten die Kesb ursprünglich kantonal aufgezogen werden und wurden dann doch eine kommunale Angelegenheit. Um Akzeptanz zu erreichen, wurden die Ressourcen knappmöglichst berechnet.
Haben die Gemeinden jetzt dennoch einen Mehrwert? Davon bin ich überzeugt, wenn er auch nicht auf Anhieb sichtbar ist: Der Rechtsschutz für die Betroffenen wurde verbessert, die Massnahmen sind massgeschneidert und werden von interdisziplinären Teams gemeinsam erarbeitet.
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