Kolumne «Lomo»Nötige Anleitungen
Es gibt fast nichts, was im Internet nicht gezeigt wird: Wie man mit der Gabel Bilder malt etwa und wie aus Scherben Smaragde werden. Etwas aber fehlt.

Wenn ich schlechte Laune hab, dann lieg ich auf dem Sofa und schau ich mir im Netz Videos an von Leuten, die schwierige Sachen machen.
Da gibts zum Beispiel einen, der alles aus Schokolade herstellt, einen lebensgrossen Tintenfisch, inklusive Anker und Bullauge, zum Beispiel oder die David-Statue des Michelangelo. Eine andere malt mit einer gewöhnlichen Essgabel Bilder von kitschigen Sonnenuntergängen oder schleift sich aus Bierflaschenscherben Smaragde. Und dann die ganzen Schreinerarbeiten – ich kann gar nicht zählen, wie viele Couchtische aus Baumstrünken und Schuhschränkchen aus Bambus ich schon habe zusammengebaut werden sehen.
Auch in Sachen akrobatische Figuren beim Fallschirmspringen bin ich unterdessen Experte, und ich weiss, jedenfalls vom Sehen, wie man am schnellsten einen Swimmingpool mit Mosaiksteinen auslegt oder 500 Rubik-Würfel so aufstellt, dass sie das Gesicht von Nelson Mandela zeigen.
Doch je länger ich mich umschaue, umso mehr vermisse ich die wirklich wichtigen Anleitungen. Ich weiss, wie man einen Düsenjet zwischen eng nebeneinander aufragenden Gebirgsspitzen hindurchmanövriert, aber eigentlich wüsste ich viel lieber, wie ich das Kaffeelöffelchen so navigiere, dass ich es schaffe, den Zucker in die Espressotasse zu schütten, während der Kaffee hineinläuft, ohne dabei entweder mit der Tasse oder dem Maschinenkolben zu kollidieren und dabei den Zucker über die Abdeckung der Abtropfschale zu verteilen, wo sich dadurch ein klebriger Film bildet, den ich allerdings erst am nächsten Tag vergeblich wegzuwischen versuche, weil ich mich jetzt so ärgere, dass ich zuerst mal einen Kaffee trinken muss und dabei natürlich prompt den Zuckerschlamassel vergesse, weil ich schon wieder mit was anderem beschäftigt bin, wie zum Beispiel der Frage, wieso es immer nur mein Veloschlüssel ist, der in die Lücke zwischen Schuhschränkchen und Vorraumwand rutscht.
Da hilft mir denn auch das Wissen darüber, wie das Schuhschränkchen aus Bambus gebaut werden könnte, nicht wirklich weiter. Stattdessen stelle ich entnervt fest, dass die ganze Welt – oder zumindest die Schwerkraft, das Mobiliar und die Kaffeemaschine – gegen mich ist, fluche laut und leg mich aufs Sofa. Und was ich dort mache, wissen Sie ja jetzt.
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