Informationen während Corona-PandemieNordkorea ist dicht
Das Nachrichtenportal NK News ist auf Informationen aus dem abgeschotteten Land spezialisiert. Die Pandemie bringt die Journalisten an ihre Grenzen.

Von Diktaturen schwärmt man nicht. Und der Journalist Chad O'Carroll würde im Zusammenhang mit Nordkorea vermutlich nie von guten Zeiten sprechen. Aber wahr ist, dass er und seine Mitstreiter beim Nordkorea-Informationsdienst NK News lange aus einem reichen Quellenschatz schöpfen konnten, um jenseits der Staatspropaganda über die kleine isolierte Atommacht zu berichten, die offiziell Demokratische Volksrepublik Korea (DPKR) heisst.
Noch 2019 hielten Agenturen der Vereinten Nationen und mehrere unabhängige Non-Profit-Organisationen einen Sitz in Pyongyang. Andere entsandten regelmässig Mitarbeiter, um nach den Menschen zu sehen. Immer wieder kamen westliche Medien ins Land, ausserdem waren Geschäftsleute und Touristen da, vor allem aus China. Sie alle konnten zum Wissen über die nordkoreanische Wirklichkeit beitragen. Aber jetzt? In der Pandemie? «Alles hat aufgehört», sagt Chad O'Carroll.
So gut wie keiner darf rein
Nordkoreas Gesundheitssystem hält nicht viel aus, deshalb ist die Coronavirus-Strategie von Machthaber Kim Jong-un und seiner Regierung klar: Sie haben die Grenzen konsequent dichtgemacht. So gut wie keiner darf rein, selbst die Zugänge internationaler Hilfsorganisationen sind gekappt, der Tourismus ist gestoppt. Flüchtlinge aus dem Norden kommen fast keine mehr in Südkorea an. Die Bewegungsfreiheit innerhalb Nordkoreas war mindestens zeitweise stark eingeschränkt. Es gab Gerüchte von harten Lockdowns, bei denen Menschen zu Hause verhungert seien, weil sie nicht rausdurften.
Die Versorgung mit Lebensmitteln im Land muss insgesamt schlecht sein, zumal im vergangenen Jahr starke Stürme Teile der Ernte zerstörten. Non-Profit-Organisationen, die Vereinten Nationen und die meisten Regierungen haben ihr Personal abgezogen aus Pyongyang. Und der Informationsfluss stockt. Chad O'Carroll macht sich keine Illusionen: «Leider sieht es so aus, als würde diese ernsthafte internationale Isolation Nordkoreas der Status quo für die nächsten Jahre bleiben.»

Informationen aus Nordkorea waren schon immer schwierig zu beschaffen und wertvoll. Genau deshalb hat Chad O'Carroll (38), ein Ire mit britischem Pass, das Portal NK News vor zwölf Jahren gegründet. Seine erste Reise nach Nordkorea unternahm er im August 2009, «als Tourist». Er studierte damals noch am King's College in London Nuclear Non-Proliferation, also die Diplomatie um die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Diese verschlossene, entlegene Welt faszinierte ihn. Aber ihm fehlte ein Portal für unabhängige Nordkorea-Nachrichten. «Ich weiss noch, wie ich jeden Tag im Bus in London Nachrichten über Nordkorea lesen wollte und dafür Hunderte von Registerseiten auf meinem alten Handy-Webbrowser öffnen musste.»
Also baute er selbst ein Portal auf. Es begann als Blog und wurde bald zu einer angesehenen englischsprachigen Informations- und Analysebörse mit Redaktionsbüro, zu der eine internationale Mannschaft aus ideologiefreien, teilweise hochrenommierten Spezialistinnen und Spezialisten beiträgt. Zum Beispiel Andrei Lankov, Professor an der Kookmin-Universität in Seoul, der fliessend Englisch, Russisch, Koreanisch und Chinesisch spricht und damit Zugang zu einem aussergewöhnlich breiten Informationsnetzwerk hat.
Neue Recherchemethoden
Aber jetzt, da kaum mehr neutrale Informanten im Land sind, wird die schwierige Journalistenarbeit noch schwieriger. «Ich finde, das sollte uns auf lange Sicht alle angehen, denn gerade kann man wirklich nur raten, wie die Bedingungen in Nordkorea sind», sagt Chad O'Carroll. Spricht er als Geschäftsführer seines Unternehmens? Oder als Journalist, den das Schicksal von Menschen umtreibt? Um sein Portal scheint er sich keine Sorgen zu machen. Das Interesse an Nordkorea wird ja nicht weniger, und längst arbeiten er und seine Mitstreiter an neuen Recherchemethoden. «Es ist eine Herausforderung, aber es macht auch Spass.»
Sie deuten mehr denn je Satellitenbilder, werten akribisch die Staatsmedien aus, Handelsdaten sowie Berichte aus Nationen, die in Nordkorea engagiert sind. Sie gehen an südkoreanische Strände, um den Müll zu untersuchen, den das Meer aus Nordkorea angespült hat. Und sie haben Plätze an der südkoreanischen Grenze gefunden, von denen aus sie mit Speziallinsen das Leben in nordkoreanischen Dörfern verfolgen können. Chad O'Carroll verrät nicht alles aus seinem neuen Alltag. Aber er sagt: «Die Pandemie hat uns gezwungen, kreativer zu sein.»
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