Mamablog: Grüsse aus dem HomeofficeOh, noch ein Staubkorn!
Ausgerüstet mit einem Mikrofasertuch versucht sich unsere Autorin im Homeoffice zu sammeln – und nimmt uns mit auf ihre Gedankenreise.

Meine Arbeitsfläche ist staubig. Mit Staub kann ich nicht arbeiten. Ohne reinen Tisch zu haben, keine klaren Gedanken fassen. Also sammle ich als erstes meine ganzen Notizhefte ein, die ich nach Projekt geordnet auf meinem Schreibtisch liegen habe, und lege sie auf das benachbarte Uhrmacher-Möbel. Auch da fliegt mir der Staub entgegen. Das Möbel erstand ich vor ein paar Jahren für 750 Franken bei Vera, einer Freundin meiner Mutter. Heute müsste ich drei Texte für den Mamablog schreiben, um auf diese Summe zu kommen.
Vera erzählte mir, dass sie das Möbel einem Uhrmacher aus dem Jura abgekauft hatte. Seither heisst es bei uns Uhrmacher-Möbel. Es ist in zwei Reihen mit je sechzehn quadratischen Schubladen aufgeteilt. In den einzelnen Schubladen befinden sich kleine Fächer in unterschiedlichen Formen, dank derer ich unzählige Sticker, Stifte, Umschläge, Etiketten und Krimskrams in Reih und Glied geordnet habe. Eine Art Mini-Papeterie. Auf dem Uhrmacher-Möbel steht ein Musikverstärker. Wenn mir danach ist, lasse ich meine Playlist durch das ganze Haus dröhnen und singe laut. Ich mag Karaoke, aber singen kann ich nicht. Im Homeoffice schätze ich dieses unbeschwerte Unbeobachtetsein. Das Laut-heraus-Singen, während mein Mann in Zoom-Meetings steckt.
Im Faultier-Tempo
Ich blicke auf meine Notizhefte und weiss nicht, ob ich zuerst meinen Schreibtisch oder das Uhrmacher-Möbel abstauben soll. Ich hole das neonfarbene Mikrofasertuch der letzten Denner-Aktion, befeuchte es und gehe zurück in mein Arbeitszimmer. Ich lege die Notizhefte auf den Boden. Auch da liegt Staub, aber ich lasse sie trotzdem da liegen. Ich seufze und blicke auf meine Uhr. Schon eine halbe Stunde vorbei. Nun lege ich auch das Tuch auf den Boden und gehe auf meinen Schreibtisch zu. Im Faultier-Tempo räume ich all die Gegenstände, die ich erst letzte Woche sorgfältig drapiert habe, der Reihe nach auf den Boden.
Mir fällt es gerade schwer, positiv zu denken. Also ziehe ich noch kurz eine Karte aus meinem «STAY TRUE»-Kartenset.
Den astronautenfarbenen Laptop mit dem Apfellogo, die Fineliner von Muji, die ich so mag und auch gerne meinen Freunden verschenke, die Buntstifte, die gelben Post-its, den Fimo-Uhu meiner jüngeren Tochter, den nur ich als solchen erkenne, den Origami-Fuchs meiner älteren Tochter, der mich aus zwei unterschiedlichen mit Bleistift aufgemalten Augen anschielt. Dann etwa zehn Affirmationen, die ich in Grossbuchstaben auf pinke Zettel notiert habe. Sie sollen mich an Vorsätze und positive Gedanken erinnern. Mir fällt es gerade schwer, positiv zu denken. Also ziehe ich noch kurz eine Karte aus meinem «STAY TRUE»-Kartenset. Ich lese: Lenke deine Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. Ertappt. Ok. Weiter.
Schön behütet und geordnet
Mein ganzer Arbeitsplatz liegt mir nun zu Füssen. Ich überlege kurz, ob ich mich auf den Boden hocken soll, um dort zu arbeiten. Nein, da liegt auch Staub! Ich lasse das fast schon trockene Mikrofasertuch in Bahnen über die Tischplatte gleiten. Dieses Hin und Her entspannt mich. Das Gleiche mache ich mit der Oberfläche des Uhrmacher-Möbels. Die Feuchtigkeit des Tuchs bringt einen ganz eigenen Duft des Holzes hervor. Es duftet nach Regen und Wald. Ich warte, bis die beiden Oberflächen getrocknet sind, und wische noch einmal nach.

Die Kirchenglocken erinnern mich Schlag für Schlag daran, dass bereits eine Stunde verstrichen ist. Nun greife ich zu den einzelnen Gegenständen auf dem Boden und ordne sie wieder so an, dass sie mich in Reih und Glied umgeben und ich mich in einer behüteten und geordneten Welt wiederfinde. Der Tisch glänzt und lockt wie ein leeres Papier, das beschrieben werden will. Ich setze mich hin, klappe den Laptop auf und öffne mein Mail-Programm. Ich bin gespannt, was mir der tägliche Newsletter von neueswort.de heute für ein Fremdwort serviert. «Filibustern»: – Das Verb filibustern bedeutet «Zeit schinden» oder «hinauszögern».
Bingo! Ich lache, klappe den Laptop zu, stehe auf und hole meinen roten Staubsauger aus dem Keller.
Wie ist es mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser? Kennen Sie solche Tage oder Stunden des Filibusterns? Erzählen Sie uns davon in der Kommentarspalte.
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