Machen wirs wie Lidl!
Ist sie nicht unermesslich, die Innovationskraft von Lidl? Nicht nur hat der deutsche Discounter dem Begriff billig eine ungeahnte Tiefe gegeben. Jetzt hat Lidl auch eines der fundamentalsten Lebensprobleme unserer Zeit gelöst: den Feierabendstau. In der Winterthurer Filiale bei der A1 in Töss wird nämlich ein neues Konzept erprobt. Ab 17 Uhr gibt es 20 Prozent auf alles – respektive fast alles, wenn man denn das Kleingedruckte liest. Einkaufen statt im Stau stehen, lautet der Slogan. Der Discounter, lange verkannt als Verursacher von Verkehr, wird zu dessen Lenker. Statt den Verkehr via Road-Pricing zu dosieren, wie das andernorts auf der Welt passiert, werden die Autofahrer in Töss mit Rabatten von der Strasse geholt.
Lidl dreht damit die gemeine Logik um. Anreiz statt Sanktion, Belohnung statt Strafe – kann man das Prinzip kurz zusammenfassen. Wie bestechend diese Idee ist, zeigt sich, wenn man sie weiterdenkt. Zu sehr ist der Staat hier und heute ein strenger, strafender Vater, geboren aus dem Geist der Reformation, zu wenig ein gutmütiger Alt-68er oder nachsichtig-ignoranter Hipster.
Der Stadtverbesserer plädiert dafür, versuchsweise ganz Winterthur auf das Modell Lidl umzustellen. Wer zum Beispiel bei der Steuererklärung nicht schummelt, bekommt 20 Prozent Rabatt. Erwischt einen die Polizei, wie man bei Rot am Fussgängerstreifen stehen bleibt, wird einem ein Militärguetsli ausgehändigt – oder ein Rabattgutschein für die nächste Bewilligung der Wirtschaftspolizei. Und wer beim «Affenfelsen» seinen Abfall brav wieder mitnimmt, darf sich eine Banane aus einem Korb nehmen. Wenn das nicht hilft, was dann?