Kolumne StadtverbesserinPop-up-Party im Betonwald
Kaum etwas gedeiht in der Stadt Winterthur so gut wie Pop-up-Pilze. Egal ob auf Beton oder Kies: Plötzlich sind sie da und breiten sich grossflächig aus.

Wie Pilze schiessen in Winterthur die Pop-ups aus dem Boden. Sie wachsen auf dem Schulhof St. Georgen, auf dem Dach der Brauerei Haldengut oder auf dem Platz vor den Archhöfen. Die Pop-ups können so urplötzlich entstehen, dass man fast einen Satz zur Seite machen muss, um nicht mitten im Myzel festzustecken. Beinahe an jeder Strassenecke entstehen die Grossstadt-Organismen und durchpflügen die Topografie der Stadt. Höchste Zeit, einen Blick auf die Lebensart dieses erfolgreichen Wesens zu werfen.
Die Pop-ups (lat. Fungos popupos) können verschiedene Farben und Formen annehmen und sind nicht zum Verzehr geeignet. Sie gedeihen in Geschäftsräumen oder unter freiem Himmel. Bei den Pilzen, die draussen wachsen, ist eindeutig eine Vorliebe zum Palettenholz erkennbar. Der aufmerksame Pilzsammler erkennt die Pop-ups an bunten Lichterketten und Topfpflanzen.
Winterthur bietet den Pop-ups mit seiner Bevölkerungsdichte einen nährstoffreichen Boden. Die Pop-up-Pilze besitzen keine Fotosynthese-Pigmente, sie ernähren sich von Menschen. Sobald die Pilze einen Tag lang kein Menschengebrabbel hören, gehen sie ein wie der Kaktus, der von dieser Stadtverbesserin auf dem Balkon vergessen wurde. (Schweigeminute für Karl den Kaktus.)

Der Pilz lockt seine Beute mit Vegiburgern, Vegan-Chia-Bowls und Ramennudeln. Er bevorzugt Wollsocken tragende Hipster mit Vokuhila-Frisur und «Stoppt den Kapitalismus»-Aufklebern auf ihren Macbooks.
Pop-ups sind, anders als ihre Fungi-Brüder, Lichtorganismen und blühen vom Frühling bis in den Spätsommer. Rückt die kalte Jahreszeit näher, ziehen sich die Pop-up-Pilze zusammen und verschwinden aus dem Betonwald. Im Herbst spriessen dann ihre leicht giftigen Cousins aus dem Winterthurer Boden. Der Lockstoff (Glühwein) dieser Weihnachtsstände kann den unerfahrenen Pilzler schon mal ins Taumeln bringen.
Zwar trauert die Stadtverbesserin jedes Jahr dem einen oder anderen lieb gewonnenen Pilz nach, doch sie freut sich auch immer wieder über neue Überraschungen, die aus dem Beton schiessen.
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